Etwa 12.000 Bremerinnen und Bremer hatten schon unterschrieben, es sollte nach der Entscheidung über die Zukunft der Galopprennbahn die nächste große basisdemokratische Abstimmung werden. Aber daraus wird nun nichts, das Volksbegehren für mehr Pflegekräfte in Bremer Krankenhäusern ist am Donnerstag vom Staatsgerichtshof gestoppt worden. Die sieben Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichts urteilten einstimmig, dass die Initiative des „Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus“ sowohl aus formellen wie inhaltlichen Gründen unzulässig ist.
Die Kammer folgte mit ihrem Urteil der Auffassung des Senats, der das Verfahren im April 2019 angestrengt hatte – und zwar nicht, weil das Gesundheitsressort inhaltlich anderer Meinung gewesen wäre als das Bündnis, das das Fehlen von rund 1600 qualifizierten Pflegekräfte für Bremen und Bremerhaven kritisiert, wohl aber aus rechtlichen Bedenken. Mit dem Volksbegehren wollten die Initiatoren, die Gewerkschaft Verdi, der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und die Linken, das Bremische Krankenhausgesetz ändern und neue Regeln für die Berechnung der Personalstärken einfügen. Außerdem sollte eine Kommission aus Experten eingesetzt werden, um diese Quoten fest- und fortzuschreiben.
Geht aus formalen Gründen nicht, urteilte das Gericht, weil bereits die Einsetzung der Kommission finanzielle Folgen hätte und erst recht eine Änderung der Personalquoten. Im Antrag des Volksbegehrens fehle aber jeglicher Hinweis, wie das Ganze bezahlt werden solle. Ein Finanzierungsvorschlag sei zwingend erforderlich, damit bei einer Abstimmung jedem Bürger klar sei, welche Auswirkungen seine Entscheidung auch auf künftige Bremer Haushalte haben könnte.
Bremen hat Frage der Bemessung von Pflegepersonal nichts zu entscheiden
Darüber hinaus sahen die Richter aber auch eine inhaltliche Kollision, und zwar von Bundes- und Landesrecht. Der Gesetzesvorschlag des Volksbegehrens ist ihrer Ansicht nach unzulässig, weil Bremen in der Frage der Bemessung von Pflegepersonal gar nichts zu entscheiden hat. „Der Bund hat von der ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Gesetzgebungskompetenz umfassend und abschließend Gebrauch gemacht“, sagte Peter Sperlich, Präsident des Staatsgerichtshofs. Im Klartext bedeutet das: Selbst wenn ein Bundesland eine Regelung des Bundes für unzureichend oder inhaltlich falsch halten sollte, darf es sie nicht ändern.
Der dritte Punkt, in dem das Volksbegehren gegen bestehende Paragrafen, nämlich die Bremer Landesverfassung, verstößt, hat ebenfalls mit der Frage zu tun, wer überhaupt Gesetze entwickeln darf. Laut Bremischer Verfassung gebührt das Recht, „nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Weise er von der Befugnis, Gesetzesvorlagen in die Bürgerschaft einzubringen, Gebrauch macht“, dem Senat. Die Landesregierung kann also nicht per Volksbegehren beziehungsweise wie in dem Antrag gefordert auf der Grundlage des Abschlussberichts der Expertenkommission zu einem Gesetzesentwurf verpflichtet werden.
Auch in Hamburg und München hatten Verfassungsgerichte bereits ähnliche Volksbegehren abgewiesen. Das Bündnis für bessere Pflege will nach der dritten Abweisung auf Landesebene nun den politischen Druck auf den Bund erhöhen. „Unsere Forderung nach einem Gesetz für eine bedarfsgerechte Personalbemessung bleibt richtig“, sagte Jörn Bracker, Verdi-Gewerkschaftssekretär und eine der Vertrauenspersonen der Bremer Initiative. „Der Ansatz des Bundesgesundheitsministers, nur ,akute Gefährdungen' für Leib und Leben zu verhindern, kann doch nicht ernsthaft der Anspruch sein, den wir an unsere Krankenhäuser haben.“
Inhaltliche Unterstützung bekommt das Bündnis von den Bremer Grünen. „Wir teilen nicht den Weg, aber das Kernanliegen der Initiative“, sagte Ilona Osterkamp-Weber, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion. „Der Personalschlüssel und die Finanzierung der Pflege in den Krankenhäusern reichen nicht aus. Bundesgesundheitsminister Spahn handelt nur halbherzig.“ Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer fordert „bundesweit verbindliche und bedarfsgerechte Personalschlüssel mit einer auskömmlichen Finanzierung“.