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Stefan Schwarze und Carl Koldewey aus Hoya "Polarstern"-Kapitän aus der selben Gemeinde wie erster Arktis-Forscher

"Polarstern"-Kapitän Stefan Schwarze hat seine ersten Lebensjahre in der Grafschaft Hoya verbracht. An eben jenem Ort, an dem auch der Leiter der ersten und zweiten deutschen Nordpolar-Expedition, Christian Koldewey, das Licht der Welt erblickt hat.
07.06.2015, 00:00 Uhr
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Von Jörn Dirk Zweibrock

Schlängelt sich die „Polarstern“, das Forschungs- und Versorgungsschiff des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), durch den Kaiser-Franz-Joseph-Fjord, bekommt Kapitän Stefan Schwarze leuchtende Augen. Steuert er den Eisbrecher zwischen steil abfallenden Gletschern und über 2000 Meter hohen Bergen hindurch, möchte er die eisige Kälte Ostgrönlands gegen keinen anderen Ort der Welt eintauschen. Temperaturen bis minus 50 Grad meistert die „Polarstern“ mit links. „Ich liebe einfach diese majestätische Landschaft. Sie erinnert mich ein bisschen an Norwegen, verfügt aber über ganz andere Dimensionen“, schwärmt der 53-Jährige.

Seine Kindheit und Jugend hat er in der Samtgemeinde Grafschaft Hoya verbracht. An eben jenem Ort, an dem auch der Leiter der ersten und zweiten deutschen Nordpolar-Expedition, Kapitän Carl Christian Koldewey, das Licht der Welt erblickt hat. Koldewey gilt als berühmtester Sohn Bückens, des malerischen Fleckens nahe Hoya. Und der Kapitän hat 1870 den Lieblingsort von Stefan Schwarze entdeckt, den Kaiser-Franz-Joseph-Fjord. „Als wir 1992 den Fjord mit der ,Polarstern’ durchquert haben, waren wir nach Koldewey erst das zweite deutsche Schiff“, sagt Kapitän Stefan Schwarze nicht ohne Stolz.

Dass er einmal auf den Spuren des berühmten Polarforschers (gestorben 1908) wandeln würde, hätte sich Stefan Schwarze als kleiner Junge nie erträumt. „Ich habe als Kind schon gerne gesegelt. Meine Eltern waren mit den Kapitänen Klaus Grohmann und Jürgen Konkol befreundet, die haben mich immer auf ihren Booten mitgenommen“, erinnert sich Stefan Schwarze an unbeschwerte Tage auf der Weser. Wie Carl Christian Koldewey ist auch Stefan Schwarze in Bremen zur Schule gegangen. Gut, zu Koldeweys Zeiten hieß die noch nicht Hochschule für Nautik und Seeverkehr, war vielmehr eine sogenannte Navigationsschule. „Carl Christian Koldewey soll ein sehr guter Schüler gewesen sein“, weiß Schwarze, der 1988 sein Kapitäns-Patent erworben hat.

Von der Container-Schifffahrt kam der heute 53-Jährige dann 1990 auf die „Polarstern“. Seit 2005 ist er einer der Kapitäne. „Obwohl der Eisbrecher mittlerweile schon 33 Jahre auf dem Buckel hat, gehört er noch immer zu den leistungsstärksten Forschungsschiffen der Welt“, freut er sich. Auf seine „Polarstern“ lässt Stefan Schwarze eben nichts kommen. „Sie sieht immer noch gut aus.“ Seine Augen beginnen zu leuchten, wenn er von dem Forschungs-Eisbrecher mit seinen vier Hauptmaschinen und zwei Propellern erzählt. Er misst 118 Meter Länge und 25 Meter Breite. Tiefgang: elf Meter.

Gerade lag die „Polarstern“ in der Llyod-Werft in Bremerhaven, musste sich einer kleinen Frischzellenkur unterziehen. „Es war das erste Mal, dass während einer Expedition ein Propeller ausgefallen ist. Meinem Kollegen ist das in der Antarktis passiert. Wie die frühere Koldewey-Station an der Westküste Spitzbergens gehört auch sie zu den Forschungsstationen des AWI“, erläutert Stefan Schwarze.

In Kapstadt habe er die „Polarstern“ übernommen und in den Heimathafen Bremerhaven gesteuert. „Sie hat neue Propellerwellen bekommen. Mitte Mai ist das Schiff wieder ausgelaufen.“ Der Kapitän sieht es seinem Eisbrecher nach, dass er in die Jahre kommt, dass es immer komplizierter wird, Ersatzteile zu beschaffen. Übrigens: Die Planungen für die „Polarstern II“ würden bereits auf Hochtouren laufen. „Voraussichtlich 2020 schwimmt sie. Mit mir als Kapitän“, sagt Stefan Schwarze mit einem verschmitzten Lächeln.

Im Nordsommer ist er in der Arktis unterwegs, im Südsommer dagegen in der Antarktis. Die „Polarstern“ sei das erste konventionell angetriebene Schiff, das bis zum Nordpol gefahren sei. Das war 1991. Inzwischen war Stefan Schwarze insgesamt schon vier Mal am Nordpol, zwei Mal davon als Kapitän. „Die Klimaforschung bekommt einen immer größeren Stellenwert“, erzählt der Mann, der regelmäßig mit Geologen, Geophysikern, Ozeanografen, Biologen, Chemikern und Meereis-Physikern in den Eismeeren unterwegs ist. „Wie die Regenwälder sind auch die Polargebiete die Klimamotoren der Welt. Dort entstehen die wesentlichen Strömungen. Im Laufe der Jahre hat der Kapitän beobachtet, wie „dramatisch die Eisberge in der Arktis abgeschmolzen sind“. In weiten Teilen der Arktis sei das Eis spürbar dünner geworden. „Stellen im Eismeer, wo wir früher mit zwei Schiffen nicht hingekommen sind, befährt heute ein Eisbrecher mit gedrosselter Leistung.“

Soviel Glück hatte Kapitän Carl Christian Koldewey bei der zweiten deutschen Nordpolar-Expedition nicht. Er sei damals mit zwei Schiffen, der „Germania“ und der „Hansa“, unterwegs gewesen, erzählt Schwarze. „Im Nebel wurden die Schiffe dann voneinander getrennt. Die „Hansa“ ist gesunken, die Besatzung hatte sich auf eine Eisscholle gerettet und ist nach Süden getrieben“, weiß der 53-Jährige, der sich sehr für die Geschichte der Seefahrt interessiert. Dennoch sei die „Hansa“-Crew nur unwesentlich später in Bremerhaven eingetroffen als die „Germania“ mit ihrem Kapitän Carl Christian Koldewey.

Maximal 90 Tage ist „Polarstern“-Kapitän Stefan Schwarze auf See. Meist wechsele die Besatzung im norwegischen Tromsø. Mitte August geht er wieder an Bord. „Dann geht es in die hohe Arktis.“

In Bücken bei Hoya gibt es heute eine Straße, die nach Kapitän Carl Koldewey benannt ist, auch die dortige Grundschule trägt seinen Namen. Gern schaut Stefan Schwarze auch am Koldewey-Geburtshaus an der Bücker Marktstraße vorbei, wenn er wieder in seiner Heimat ist. Er freut sich, dass er aus der gleichen Samtgemeinde wie der Polarforscher kommt.

Stefan Schwarze lebt mit seiner Familie in Leipzig. Ob er sich später einmal als betagter Kapitän im Haus Seefahrt in Bremen-Grohn niederlässt, weiß er noch nicht. Nur eins steht für ihn fest: „Urlaub mache ich am liebsten dort, wo es warm ist.“

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