Zehntausende Menschen haben am Sonntagmittag in Bremen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Nach Angaben der Polizei waren auf dem Domshof und im näheren Umfeld rund 45.000 Personen zusammengekommen, die Veranstalter sprachen von mehr als 50.000 Teilnehmern. Dass es voll werden würde, hatte sich bereits in den vergangenen Tagen abgezeichnet. Das Ausmaß überraschte dann dennoch viele Menschen vor Ort: Eine größere Demonstration hat es zumindest in der jüngeren Vergangenheit in Bremen nicht gegeben. Zum offiziellen Auftakt der Kundgebung um 12.05 Uhr war der Domshof nicht mehr erreichbar, die Teilnehmer stauten sich an den Zugängen.
Den Startzeitpunkt hatte das Aktionsbündnis "Laut gegen rechts" bewusst gewählt. "Es ist fünf nach zwölf, denn wir wissen schon lange, dass rechte Netzwerke unsere Demokratie und die Menschen, die hier leben, bedrohen", sagte Lukas Röber in seiner Eröffnungsrede. Röber ist Mitorganisator der Demonstration, die sich in die deutschlandweiten Proteste der vergangenen Tage einreiht. Anlass für die Kundgebungen, bei denen am Freitag und Sonnabend insgesamt mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straßen gegangen waren, ist eine Enthüllung des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten. Bei dem Treffen, an dem unter anderem AfD-Politiker teilgenommen hatten, waren Pläne für eine mögliche "Remigration", also die Ausweisung Menschen ausländischer Herkunft, erörtert worden.
BSAG muss Verkehr umleiten
Die Bremer Demonstranten machten am Sonntag mit Schildern und Sprechchören auf sich aufmerksam, die vielfach auf einen bestimmten Gegner abzielten. „Ganz Bremen hasst die AfD“, schallte es immer wieder über den Domshof. Zusammengekommen waren Menschen jeden Alters aus allen Teilen der Stadt und dem Umland. Die Züge der Nordwestbahn aus dem Bremer Norden waren bereits am Morgen stark ausgelastet und später überfüllt. Die BSAG, die ihre Busse und Bahnen zunächst hatte regulär fahren lassen wollen, musste am Mittag im Innenstadtbereich Umleitungen einrichten.

Der Schüsselkorb während der ersten Stunde der Demo. Straßenbahnen kamen nicht mehr durch.
Auf den Gleisen am Schüsselkorb versammelten sich große Menschengruppen, die nicht mehr bis zum überfüllten Domshof gekommen waren. Aus der Ferne hörten sie, wie die Redner auf der Bühne zum Zusammenhalt aufriefen. Zu Wort kamen Privatpersonen und Mitglieder zivilgesellschaftlicher Bündnisse, viele davon mit Migrationshintergrund. Sie appellierten einheitlich, den Protest nicht auf eine Demonstration zu beschränken, sondern sich rechten Tendenzen im Alltag entgegenzustellen. Nach Angaben der Veranstalter haben sich mehr als 90 Organisationen und Bündnisse an der Demonstration beteiligt. "Wir sind überwältigt", schrieben die Organisatoren später in den sozialen Medien.
In den vergangenen Tagen hatte sich ein breites Bündnis aus gesellschaftlichen und politischen Akteuren mit dem Anliegen der Kundgebung solidarisiert. Nicht als Redner, aber als Teilnehmer waren auch Bremer Senatorinnen und Senatoren am Sonntag vertreten. "Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität müssen auch in Zukunft die Grundwerte unserer Gesellschaft sein – ohne jede Einschränkung, immer und jederzeit", sagte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Man sei an einem Punkt angelangt, "an dem alle Demokratinnen und Demokraten zusammenhalten und aufstehen müssen". Als "wichtiges Zeichen" bezeichneten auch Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) die Demonstration. "Der rechte Rand ist leider mittlerweile auch in Teilen der gesellschaftlichen Mitte salonfähig geworden. Dagegen können und müssen wir uns gemeinsam wehren", sagte Vogt.
Viele Teilnehmer, mit denen der WESER-KURIER sprach, sehen nicht nur die Zivilbevölkerung, sondern auch die Politik in der Pflicht. "Ich hoffe, dass die etablierten Parteien jetzt mehr Mut finden und konsequenter gegen rechte Tendenzen vorgehen", sagte Thomas Grahl. Mehr Klarheit im Umgang mit der AfD erhofft sich die Bremer Frauenärztin Lydia Kaal, die am Sonntag mit einer Regenbogenflagge ausgestattet an der Kundgebung teilgenommen hat. "Es muss klargemacht werden, dass die AfD rechtsextreme Inhalte vermittelt und nicht nur eine Protestpartei ist", sagte Kaal.
Um 13.30 Uhr, etwas früher als erwartet, beendeten die Organisatoren die Kundgebung offiziell. Wegen des großen Andrangs dauerte es bis zum Nachmittag, bis sich die Verkehrssituation in der Innenstadt normalisierte. Die Polizei zieht ein positives Veranstaltungsfazit: Die Teilnehmer seien sehr kooperativ und rücksichtsvoll gewesen. "Es lief alles so, wie es sein sollte", sagte ein Polizeisprecher am Nachmittag.
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