Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Aus Bremen abgeschoben Von der Perspektivlosigkeit eines 23-Jährigen in Montenegro

Vor fünf Monaten wurde ein junger Mann aus Bremen nach Montenegro abgeschoben. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER erzählt er vom Leben und der Perspektivlosigkeit in diesem Land.
05.07.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von der Perspektivlosigkeit eines 23-Jährigen in Montenegro
Von Ralf Michel

Wie es ihm geht? Na ja, soweit ganz gut, sagt der 23-Jährige am Telefon. Irgendwie müsse er halt klarkommen, hier in Montenegro, weit weg von seiner Familie und seinen Freunden in Bremen. "Ich verbringe die Tage mit mir selber", erzählt er. Niemand da, mit dem er sich unterhalten kann. "Ich arbeite. Dann arbeite ich noch mal. Danach bin ich kaputt und gehe ins Bett", beschreibt er seinen Alltag in dem Land, das vieles ist, aber keine Heimat für ihn. "Ich fühle mich einsam. Das ist alles Mist hier."

Untergekommen ist er bei einer Bekannten, berichtet der junge Mann. Die Tochter einer Tante mütterlicherseits. Und Arbeit hat er inzwischen auch gefunden. Als Fahrer für die städtische Straßenreinigung. Was er da verdient, reiche aber nicht zum Überleben. Deshalb suche er sich nach der Arbeit weitere Jobs, meistens auf Baustellen oder in privaten Häusern. Eigens dafür ist er nach Tivat gegangen, eine kleine Stadt an der Küste, knapp 10.000 Einwohner. Dort gebe es im Sommer Touristen und damit auch Arbeit.

"Eine einzige Müllhalde"

Er war auch schon in Nikšić, die Stadt, in der er mit seiner Familie gelebt hat, bevor er 2014 nach Deutschland kam. Hat dort den Stadtteil besucht, in dem er groß geworden ist. Dort steht sein Elternhaus oder besser, was davon übrig geblieben ist. "Das Haus ist ausgebrannt", erzählt er. "Unsere ganze Straße ist eine einzige Müllhalde." 30 Familien hätten dort damals gelebt. "Eine davon ist noch da, alle anderen sind weggezogen."

Die Gemeinde, in der er lebt, fühle sich nicht für ihn zuständig. Niemand wisse etwas mit ihm anzufangen, Unterstützung gebe es nicht. "Meine Perspektiven hier sehen wirklich sehr schlecht aus."

Lesen Sie auch

Ganz anders als noch vor fünf Monaten in Bremen. Als er in der Schule kurz vor dem Abschluss stand. Als er mithilfe seines Betreuers eine eigene Wohnung gefunden und gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz in einem Malerbetrieb hatte. Als er nach seiner Haftentlassung fest daran glaubte, die Straße, Drogen und Kriminalität endgültig hinter sich gelassen zu haben. "Ich hatte mir wirklich Mühe gegeben, mein Leben zu ändern. Nicht mehr kriminell zu sein, sondern Teil der Gesellschaft zu werden."

"Wie in einem Film"

Bis zu jenem 9. Februar, als plötzlich die Polizei vor der Tür stand, ihn aufforderte, sofort seinen Koffer zu packen, nach Frankfurt brachte und in einen Flieger setzte. Er habe eine ganze Weile gebraucht, um zu begreifen, was da plötzlich mit ihm geschah. Dass er abgeschoben wurde. "Ich habe das erst mal gar nicht richtig realisiert, das ging alles so schnell. Wie in einem Film." Alle Möglichkeiten, alle Pläne, Hoffnungen und Träume – zunichtegemacht, von einer Sekunde auf die andere.

Er habe gelernt, seinen Weg alleine machen zu müssen, betont der 23-Jährige. "Aber das alles jetzt, ist sehr bitter für mich." Wie genau es für ihn weitergehen soll, könne er nicht sagen. Er wisse es einfach nicht.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)