Mit der steigenden Zahl von Flüchtlingsunterkünften nimmt in Bremen auch die Zahl der Polizeieinsätze zu. „Wir rücken etwa einmal pro Tag zu einer der Unterkünfte aus“, sagt die Bremer Polizeisprecherin Franka Haedke.
Während die meisten dieser Einsätze vergleichsweise harmlos sind, kam es bereits mehrmals zu Massenschlägereien und den damit verbundenen Großeinsätzen der Beamten – zuletzt am Sonntagabend in der Erstaufnahmeeinrichtung für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge in Habenhausen. Die Polizei rückte mit 15 Fahrzeugen an. „Vier bis fünf Personen schlugen sich im Speisesaal. Ein Tumult mit rund 30 Personen“, berichtet Haedke. Das Einschreiten der Polizei verhinderte ein Ausweiten des Konfliktes.
„Gerade bei diesen Jugendlichen wäre eine ausreichende pädagogische Rund-um-die-Uhr-Betreuung notwendig“, fordert Wilhelm Hinners, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Doch das ist nicht gewährleistet.“ Die Überbelegung des für maximal 222 und mit faktisch mehr als 300 Jugendlichen belegten Hauses führe bei Streitereien automatisch zur Eskalation. „Das ist unverantwortlich“, sagt Hinners.
Der Bremer Rechtspsychologe Dietmar Heubrock versucht das Problem wissenschaftlich zu erklären. „Wenn Fremde ständig in unsere Intimzone eindringen, dann fühlen wir uns bedroht.“ Deshalb sei Gewalt in der permanenten Enge von Massenunterkünften aus sozialpsychologischer Sicht keine Überraschung.
Doch im Fall der Erstaufnahmeeinrichtung ist eine weitere Ursache zu vermuten. „Einige der Jugendlichen waren stark alkoholisiert“, erklärt Jochen Kopelke, Chef der Polizeigewerkschaft. „Da muss man sich fragen, wie dort kontrolliert wird.“ Möglicherweise hätte der Sicherheitsdienst den Konflikt schon eher schlichten können, so Kopelke. „Vielleicht muss auch über den Personalschlüssel und die Ausbildung der Sicherheitsleute nachgedacht werden.“ Diese Kritik lässt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde, nicht gelten. „Pro Nacht sind dort fünf Sicherheitsleute im Dienst, die unter anderem in Deeskalation ausgebildet sind. Hinzu kommt eine pädagogische Kraft.“ In der Einrichtung gelte selbstverständlich Alkoholverbot. „Es wurde nicht im Haus getrunken.“
Unterdessen fürchtet das Rote Kreuz, dass das niedersächsische Innenministerium in der Schwaneweder Lützow-Kaserne noch mehr Flüchtlinge als die bisher hier angekommenen 1200 unterbringen will. Am Montag machte das Gerücht die Runde, es seien weitere mehrere Hundert Flüchtlinge für das Notaufnahmelager im Gespräch. Dazu erklärte Henning Dagevörde vom DRK-Wesermünde: „Wir können mit dem Konzept, das wir hier fahren, nicht mehr betreuen – oder wir bekommen Verhältnisse, die wir hier nicht haben wollen und nicht verantworten können.“ Und sein Geschäftsführerkollege Rolf Eckhoff aus Bremervörde betonte, dass man dies auch so dem Ministerium gesagt habe.
Tiefe Gräben in der Berliner Koalition
Die Transitzonen-Pläne der Union reißen mitten in der Flüchtlingskrise tiefe Gräben in der schwarz-roten Koalition auf. Nach einem zeitweiligen Wackelkurs der SPD in diesem Punkt lehnten am Montag führende Sozialdemokraten vehement das Vorhaben ab, viele Asylbegehren direkt an den deutschen Grenzen zu prüfen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, wer Transitverfahren von Flughäfen auf Landesgrenzen übertragen wolle, schaffe „Massenlager im Niemandsland“. Derweil sehen Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und vor allem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in solchen Arealen eine Möglichkeit, auf steigende Asylbewerberzahlen zu reagieren.
Die Opposition lehnt die Transitzonen-Pläne für Flüchtlinge an den deutschen Außengrenzen strikt ab. Die Grüne-Vorsitzende Simone Peter sagte in Berlin: „Das Vorhaben der Union, Asylverfahren künftig im Niemandsland außerhalb der Landesgrenzen durchführen zu lassen, markiert einen neuen Tiefpunkt in der Flüchtlingspolitik von CDU und CSU.“
Die Innenexpertin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, sagte: „Die sogenannten Transitzonen sind aus menschen- und verfassungsrechtlicher Sicht höchst bedenklich. Diese Zonen werden weder zu einer geregelteren Einreise von Flüchtlingen führen noch dafür sorgen, dass weniger Schutzsuchende zu uns kommen.“
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