Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linken hat am Dienstag in der Bürgerschaft einen Antrag für ein AfD-Verbot auf den Weg gebracht. Der Senat wurde aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, zügig ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht anzuschieben – sowohl im Dialog mit der neuen Bundesregierung als auch über eine Initiative im Bundesrat. Neben den Koalitionären stimmten auch 16 Parlamentarier der CDU sowie ein Mitglied der FDP für den Antrag. CDU und FDP hatten im Vorfeld die Abstimmung für ihre Abgeordneten freigegeben. Das Bündnis Deutschland stimmte geschlossen dagegen.
Redebeitrag von Innensenator Mäurer sorgt für Unmut
Für Missstimmung innerhalb der Regierungskoalition sorgte ein Redebeitrag von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Von ihm hatten die Abgeordneten der rot-grün-roten Koalition Unterstützung für ihren Antrag erwartet. Doch die kam nicht. Mäurer sprach sich zwar nicht direkt gegen die neuerliche Bremer Initiative für ein AfD-Verbot aus. Er ließ aber auch keinerlei Sympathie für den Vorstoß erkennen.
Stattdessen setzte er sich kritisch mit dem Vorgehen des Bundesinnenministeriums und des Bundesamtes für Verfassungsschutz auseinander. Sie hatten am vergangenen Freitag – zur Überraschung Mäurers und wohl auch seiner Länderkollegen – die Hochstufung der AfD vom rechtsextremistischen Verdachtsfall zu einer als "gesichert rechtsextremistisch" geltenden Gruppierung bekannt gegeben. Grundlage war, wie berichtet, ein rund 1100 Seiten starkes neues Gutachten des Bundesamtes.
"Der Freitag hat uns sehr irritiert", sagte Mäurer. Auch dass die Expertise der Verfassungsschützer bisher nicht veröffentlicht wurde, sondern mit der Geheimhaltungsstufe „Nur für den Dienstgebrauch“ versehen wurde, stieß auf Mäurers Kritik. Er selbst hat nach eigenen Angaben inzwischen rund 300 Seiten gelesen.
Besonders irritiert war man in den Koalitionsfraktionen von Mäurers Einschätzung zur lokalen Situation. „Bremen ist keine Hochburg der AfD“, sagte der Innensenator. Als Antwort auf kritische Zwischenrufe aus dem Plenum, die auf die jüngsten bundesweiten Wahlerfolge der AfD hinwiesen, erwiderte Mäurer, er meine das Verhalten der Bremer Landespartei. Auf den insgesamt 1100 Seiten des Verfassungsschutzgutachtens gebe es etwa drei Zeilen, in denen die Bremer AfD überhaupt erwähnt werde. Im Übrigen sei gerade die Bremer AfD in jüngerer Zeit eher mit sich selbst beschäftigt gewesen.
Mäurer kritisierte, dass aktuell bundesweit ein Flickenteppich an verschiedensten amtlichen Einschätzungen bestehe, wie mit der AfD umzugehen sei. In Bezug auf das weitere Vorgehen sagte er: „Wir brauchen eine gemeinsame Bewertung durch den Bund und die Länder." Der Innensenator gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass dies bis zur Innenministerkonferenz im Juni in Bremerhaven erreicht werde.
Unmut auf den Koalitionsbänken
Mäurers Rede löste auf den Koalitionsbänken erheblichen Unmut aus, auch in seiner eigenen Partei, der SPD. Denn dass der eigene Innensenator die von der AfD in Bremen ausgehenden Gefahren relativierte, passte nicht zur Stoßrichtung der auch von der CDU unterstützten Initiative für ein Verbot dieser Partei. Erst vor wenigen Tagen hatte SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör in einer Reaktion auf die amtliche Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" erklärt: "Spätestens jetzt wissen wir gesichert, dass die AfD unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht."
Grünen-Fraktionschefin Henrike Müller erklärte direkt im Anschluss an Mäurers Rede, dieser habe mit seinem Statement nicht die Haltung des Senats wiedergegeben. Von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) habe man eine andere Einschätzung nachlesen können als jene, die Mäurer vorgenommen habe. Auch wenn es in Bremen noch eine – so wörtlich – „Bullerbü-Situation“ in Bezug auf die AfD gebe, erwarte sie vom Innensenator eine gewisse Solidarität mit den ostdeutschen Ländern, die mit Blick auf die AfD vor einer ganz anderen Situation stünden.
Am größten war der Unmut nach der Debatte bei den Linken, für die Mäurer ohnehin seit einiger Zeit eine Reizfigur ist. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER nannte Fraktionschefin Sofia Leonidakis den Redebeitrag des Innensenators eine "offen zur Schau getragene Missachtung des Parlaments". Der von einer breiten Mehrheit der Bürgerschaft unterstützte Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren sei "keine freundliche Bitte, sondern ein klarer Auftrag an die Exekutive", sagte Leonidakis. Mäurer sei dies offenbar nicht ausreichend bewusst.