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Affenversuche in Bremen Jetzt zeigt sich, ob Bremen seine Hausaufgaben gemacht hat

Der Senat wird aller Voraussicht nach eine Fortsetzung der Affenversuche ablehnen. Bisher hat die Regierung in dieser Frage aber nur Niederlagen kassiert, meint Michael Brandt.
07.11.2023, 12:10 Uhr
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Jetzt zeigt sich, ob Bremen seine Hausaufgaben gemacht hat
Von Michael Brandt

Tierschutz braucht ein neues Gesetz! Diese Forderung plakatiert der Verein "Vier Pfoten" momentan im Bundesgebiet und ruft dazu auf, sich online an einer Unterschriftensammlung zu beteiligen. Knapp 60.000 Menschen hatten bis zum Wochenanfang unterzeichnet. In Bremen fällt die Kampagne besonders passend in eine Zeit, in der wieder einmal über Tierversuche gestritten wird, genauer um die Hirnforschung mit Makaken an der Uni. Die Diskussion ist ein Beispiel für offensichtlich politisches Versagen.

Die derzeitige Genehmigungsphase für die Hirnforschung des Wissenschaftlers Andreas Kreiter an der Uni läuft im November aus. Die zuständige Gesundheitsbehörde, so ist schon im Vorfeld bekannt geworden, will die Genehmigung für die Versuche nicht verlängern. Damit befasst sich voraussichtlich an diesem Dienstag der Senat. 

Die Uni hat sich durchgesetzt

Die Ausgangslage ist beileibe nicht neu. Bereits 2004 hat der damalige SPD-Fraktionschef und spätere Bürgermeister Jens Böhrnsen das Aus der Affenversuche binnen Jahresfrist angekündigt. Er bezeichnete die Zustimmung zu den Versuchen einige Jahre zuvor als den größten Fehler seiner Karriere. Es folgte unter anderem ein Mehrheitsbeschluss der Bremischen Bürgerschaft im Jahr 2007. Welches Gewicht dieses Votum der höchsten politischen Instanz im Land hatte, zeigt sich bis heute: Die Affenversuche halten an. Die Uni hat sich in allen Belangen gegen die Bremer Regierung durchgesetzt. Eine grandiose Schlappe.

Tierversuchsverbote gibt es in den Bundesländern nicht. Tierversuche sind genehmigungspflichtig, solange sie Recht und Gesetz entsprechen. Sie dürfen durchgeführt werden, wenn sie – so die Behördendefinition – "zur Beantwortung der wissenschaftlichen Frage unerlässlich sind und in der Güterabwägung zwischen dem erwarteten Erkenntnisgewinn und dem erwarteten Leiden der Tiere ethisch vertretbar erscheinen".

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Das ist der bisherige Rahmen. Und in diesem Rahmen hat sich Bremen, auch vor Gericht, regelmäßig eine blutige Nase geholt beim Versuch, das Leiden der Affen am Hochschulring zu stoppen. Bisher. Damit ist aber nicht ausgemacht, dass sich der Senat auch in diesem Anlauf vergeblich bemüht.

Denn sowohl der gesetzliche als auch der gesellschaftliche Hintergrund haben sich in den vergangenen Jahren geändert und ändern sich weiter. In der EU gilt seit Jahren ein Tierversuchsverbot für Kosmetika, auch in der Waffenproduktion sind Tierversuche verboten. Unter anderem der Verein "Ärzte gegen Tierversuche" prangert an, dass Deutschland das Tierversuchsland Nummer eins in Europa ist. Aber erst im September hat das Parlament in Brüssel mit 667 gegen vier Stimmen die EU aufgefordert, den Ausstieg aus Tierversuchen für die Forschung zu organisieren.

Stabsstelle gegründet

Zwar gibt es dafür noch kein Datum, und auch in der EU wird viel beschlossen, wenn der Tag lang ist. Dennoch könnte damit der zeitliche Faktor bei einer richterlichen Bewertung mehr Gewicht bekommen. Eine Frage, die bei der Genehmigung der Affenversuche gestellt werden muss, lautet: Ist in der verbleibenden Zeit ein Erkenntnisgewinn zu erwarten, der das Tierleid rechtfertigt?

Und dann hat Bremen seit dem vergangenen Jahr eine Landesstabsstelle Tierschutz, die mit drei Stellen ausgestattet ist. Aufgabe ist es, natürlich auch wieder im Behördenjargon, sich für die "effektive und konsequente Umsetzung des Tierschutzes auf allen Ebenen einsetzen". Na bitte, da kann die Landesstabsstelle Tierschutz im anstehenden Konflikt einen Leistungsnachweis erbringen. 

Der Senat kann gar nicht anders, als das zu tun, was er aller Voraussicht nach an diesem Dienstag tut: die Fortsetzung der Versuche ablehnen. Alles andere würde die politischen Beschlüsse der vergangenen 19 Jahre auf den Kopf stellen und wäre nicht zu vermitteln. Zwar riskiert die rot-grün-rote Regierung, eine erneute Schlappe zu kassieren und sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Eine wirkliche Alternative gibt es nicht. Und einen nächsten Anlauf gibt es für diesen Fall mit Sicherheit.

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