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Agrarwissenschaftler Kühn im Interview "In Städten entsteht eine noch extremere Situation als außerhalb"

Fichten sterben, Buchen leiden, heimische Pflanzen haben Stress. Norbert Kühn von der TU Berlin erklärt, welche Baumarten verschwinden werden und wie sich Parkanlagen an den Klimawandel anpassen müssen.
29.07.2021, 15:38 Uhr
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Von Simon Wilke

Herr Kühn, die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich immer stärker auch in den norddeutschen Parkanlagen. Werden Eiche, Buche und Co. den neuen Bedingungen mittelfristig zum Opfer fallen?

Norbert Kühn: Diese Gefahr ist sehr real und, ja, von bestimmten heimischen Baumarten werden wir uns wohl grundsätzlich verabschieden müssen, vor allem von solchen, die in kühleren Regionen zu Hause sind. Wir beobachten bereits, wie sich Fichten, Lärchen und auch Buchen aus bestimmten Teilen Deutschlands zurückziehen. Andere Arten werden uns aber erhalten bleiben, zum Beispiel Kiefern und auch Eichen.

Gibt es sogar Gewinner des Klimawandels?

Es gibt tatsächlich Baumarten – sogar seltene, wie den Speierling, der bisher nur im Rhein-Main-Gebiet und in Saaletal vorkommt – die künftig auch an Standorten wie Bremen funktionieren werden.

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Was bereitet den Bäumen in Stadtparks denn insgesamt die größten Probleme?

Vor allem Hitzespitzen und Dürreperioden. Gerade in Städten ist der Wassermangel eines der bedeutendsten Probleme. Die Pflanzen haben wirklich starken Trockenstress.

Was ist für die Unterscheidung von einem Wald außerhalb einer Stadt und einem Park innerhalb einer Stadt wesentlich?

Zunächst die Funktion der Bäume  – Holzgewinnung im Wald einerseits, sogenannte Ökosystem-Dienstleistungen für Stadtbewohner andererseits. In der Stadt erwarten wir Kühlwirkung, Schatten, Erholungsmöglichkeiten, aber auch Schönheit und Ästhetik von Parkanlagen. Und dann ist da noch der Standort. Wälder haben ein Klima, das dem der Region entspricht und einen relativ naturbelassenen Boden. Städte sind stark durch den Menschen geformt, sie sind Wärmeinseln, in denen während Hitzeperioden eine noch extremere Situation als außerhalb entsteht. Es gibt eine höhere Staubbelastung, die Böden sind oft völlig verändert, und Niederschläge kommen durch die Versiegelung zu großen Teilen nicht bei den Pflanzen an.

Wie kann unter den gegebenen Umständen ein Park aussehen, der sich von Hitze und Trockenheit auch wieder erholen kann?

Wichtig ist, dass er für verschiedene Klimasituationen verschiedene Flächenkategorien anbietet. Wir brauchen Bereiche, wo Licht und Sonne hineinfallen, weil solche offenen Flächen nachts die Wärme stärker abstrahlen und so auch die Umgebung kühlen. In geschlossenen Gehölzbeständen gibt es tagsüber angenehmen Schatten, nachts bleibt es darunter aber warm. Und die zentrale Herausforderung wird sicher sein, wie man mit Wasser umgeht. Es muss möglichst viel Niederschlag in den Boden gebracht werden, um den Grundwasserspeicher aufzufüllen und das Wasser für Pflanzen nutzbar zu machen. Moderne Parks werden daher immer in Zusammenhang mit Regenwassermanagement geplant.

Das heißt?

Kopenhagen bietet gute Beispiele, dort gibt es Parks und Plätze, in die das Wasser bei Starkregen geleitet wird. Die sind anschließend zwei Wochen lang überflutet, dann aber ist alles versickert, der Niederschlag wird dem Grundwasser zugeführt oder steht den Bäumen zur Verfügung.

Wenn es nun aber wie in den vergangenen Jahren fast gar nicht regnet?

Zum Beispiel könnte man heimische Arten vom südlichen Rand ihres Verbreitungsgebiets einführen und hierzulande verwenden, wie Stieleichen aus Ungarn oder Norditalien. Bei ihnen ist davon auszugehen, dass sie bereits mehr Stresserfahrungen und eine entsprechende Anpassung besitzen. Versuche in Forsten mit Buchen deuten darauf hin, dass diese Strategie erfolgreich sein könnte – in Städten wird sie aber noch nicht umgesetzt. Trockenheitstolerantere fremdländische Arten von anderen Kontinenten werden bereits erfolgreich eingesetzt, wie die Robinie aus den USA oder der Japanische Schnurbaum aus Südostasien.

Und geht man idealerweise mit dem aktuellen Bestand um?

Wir müssen ihn vital halten, also Wuchsbedingungen sichern, die Entwicklungsmöglichkeiten verbessern und Vorsorge betreiben. Dazu gehört ein regelmäßiger Schnitt der Bäume, und auch der Boden kann beispielsweise durch die Verpressung von Aktivkohle aufbereitet werden, um die Speicherkapazität zu erhöhen.

Das klingt ressourcen-intensiv.

Völlig richtig, man muss diesem Bereich wesentlich mehr Geld und Personal zuweisen als bisher. Eine Anpassung an den Klimawandel wird es nicht umsonst geben.

Einige Betreiber von Parks klagten zuletzt allerdings vermehrt auch über Schädlings- oder Pilzbefall.

Ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Verbreitung von Schädlingen ist nur für wenige Arten nachgewiesen. Sie profitieren eher mittelbar vom Klimawandel, durch den starken Stress, dem die Bäume ausgesetzt sind. Der setzt ihre Abwehrkräfte herab, was wiederum zu einer höheren Anfälligkeit für Befall oder Erkrankungen führt.

Das Gespräch führte Simon Wilke.

Zur Person

Norbert Kühn

ist Leiter des Fachgebietes Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung an der Technischen Universität Berlin. Aktuell schreibt er an einem Buch zu Stadtgrün im Klimawandel.

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