Gleich zwei illegale Autorennen gab es in Bremen am Pfingstwochenende. In den Sommermonaten sind oft mehr Raser und Autoposer unterwegs. Dabei kann es schnell gefährlich werden – für die Raser selbst, aber auch für Unbeteiligte. Was tun andere deutsche Städte, um gegen illegale Rennen vorzugehen?
Nach Recherchen von "Team Upward" für die ARD hat sich die Zahl der erfassten illegalen Autorennen bundesweit in den Jahren 2019 bis 2021 mehr als verdoppelt – besonders auffällig war der Anstieg in Nordrhein-Westfalen und Berlin.
Die Rheinische Post berichtete zuletzt unter Berufung auf eine Auswertung des NRW-Innenministeriums, 2022 seien in Nordrhein-Westfalen zwölf Menschen mutmaßlich durch illegale Autorennen ums Leben gekommen – so viele wie noch nie. Fünf der Toten seien Fahrer der Unfallwagen gewesen, sechs von ihnen Beifahrer, einer ein unbeteiligter Fußgänger.
Auch Berlin gilt als Hotspot für Raser. In der deutschen Hauptstadt gab es in den vergangenen Jahren mehrere Tote und Schwerverletzte durch illegale Straßenrennen. Zugleich gehen Berliner Ermittlungsbehörden neue Wege, um Raser vor Gericht zu bringen.
Andreas Winkelmann leitet eine Spezialabteilung für verbotene Kraftfahrzeugrennen bei der Amtsanwaltschaft in Berlin. Neun Anwälte gehören zu der Einheit. "Seit 2017 haben wir allein in Berlin mehr als 3500 Ermittlungsverfahren wegen illegaler Autorennen eingeleitet", sagt Oberamtsanwalt Winkelmann. 2017 wurde der sogenannte Raser-Paragraf eingeführt, der Autorennen zu einem Straftatbestand machte. Anlass dafür war unter anderem ein illegales Autorennen zweier junger Männer auf dem Berliner Kurfürstendamm. Durch ihre Raserei starb ein unbeteiligter Fahrer.
Unfallschreiber helfen bei der Überführung
In etwa 1500 Raser-Verfahren wurde in Berlin seit 2017 Klage erhoben, 960 Urteile wegen Raserei wurden rechtskräftig, sagt Winkelmann. Viele dieser Anklagen und Urteile wären ohne den Einsatz neuer Technologien niemals möglich gewesen, betont der Berliner Experte: "Wir setzen ganz verstärkt auf Technik, denn moderne Fahrzeuge speichern eine Fülle von Daten." Neuere Autos ab Baujahr 2014 hätten einen sogenannten Event-Data-Recorder (EDR), einen Ereignisspeicher im Airbag-Modul, der die letzten fünf Sekunden vor einem Unfall aufzeichne. Wenn der Airbag ausgelöst wird, die Sicherheitsgurte spannen oder der Fahrer sehr wild fährt, beginnt die Aufzeichnung.
Diese EDR-Daten aus dem Unfallschreiber macht sich die Berliner Anwaltschaft zunutze. "Aus den Daten können wir mit Experten auslesen, was der Tacho kurz vor dem Unfall anzeigte und wie stark aufs Gas getreten wurde. Es gibt auch Hersteller, die Lenkeinschläge speichern", schildert Winkelmann. Diese digitalen Auto-Daten ermöglichen Ermittlern, die Raserei vor Gericht nachzuweisen, sagt Winkelmann: "Mit Zeugenaussagen allein ist das mitunter schwierig." Denn Zeugen hätten oft eine individuelle Geschwindigkeitswahrnehmung, die meist als Beweis vor Gericht nicht geeignet sei. Viele Rennen würden auch erst im Nachhinein durch das Auslesen der Ereignisspeicher von Unfallautos bekannt, sagt der Anwalt.
Seit Raser verstärkt ins Blickfeld gerückt sind, setzen mehrere Bundesländer speziell ausgebildete Beamte ein. Dazu gehören auch Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bremen. Bei der Bremer Polizei gibt es seit 2019 die „Kontrollgruppe Raser und Poser“, die im Sommer die Verkehrsüberwachung verschärfen soll. In dieser Saison pausiert die Einheit allerdings, weil das Personal anderweitig gebunden ist (wir berichteten).
Fortbildungen zum Auto-Tuning in Hannover
In Hannover gibt es bei der Polizei eine Spezialeinheit mit sechs Beamten, die unter anderem für Autorennen, Posen und Tuning zuständig ist. Zudem setzt die Polizei in der Landeshauptstadt nach eigenen Angaben auf Fortbildungen für Polizeibeamte: "Es werden zum Beispiel technische Besonderheiten zum Auto-Tuning vermittelt", sagt Polizeisprecherin Anne Wellhörner. Polizisten sollten so in die Lage versetzt werden, bei Kontrollen unzulässige Veränderungen am Fahrzeug besser zu erkennen. Da Autorennen im Prinzip jederzeit und fast überall stattfinden könnten, gestalte sich die Prävention schwierig, heißt es von der Polizei Hannover. Allerdings führe man Schwerpunkteinsätze durch, bei denen Spezial-Fahrzeuge mit Überwachungssystem, stationäre Geschwindigkeitsmessgeräte und zivile Funkstreifenwagen mit Kameras zum Einsatz kämen.
Den bundesweiten Anstieg der Autorennen führt der Berliner Experte Winkelmann vor allem darauf zurück, dass die Polizei mehr kontrolliert habe: "Deshalb wurden auch mehr Rennen erfasst." Er stellt jedoch auch klar: "Die PS-Stärken der Autos haben zugenommen, es gibt immer mehr hochmotorisierte Fahrzeuge auf den Straßen." Um Rennen zu verhindern, könnte es sinnvoll sein, ein Stufen-System für den Führerschein in Deutschland einzuführen, glaubt er: "Man könnte zum Beispiel sagen, wer seinen Führerschein gerade erst gemacht hat, darf in der Anfangszeit nur Fahrzeuge mit bis zu 150 PS fahren."