
Nadia Pastuschenko ist eigentlich Lehrerin, aktuell arbeitet sie als Putzkraft.
Nadia Pastuschenko muss derzeit in Bremen mit einem Minijob als Putzkraft vorliebnehmen. Bis vor gut anderthalb Jahr war sie noch Grundschullehrerin im ukrainischen Cherson, dann flüchtete sie im Frühjahr 2022 mit ihren beiden Kindern vor der russischen Armee nach Deutschland. Seitdem versucht sie, hier wieder beruflichen Anschluss zu finden. Doch neben der deutschen Sprache bedeutet auch die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse und Qualifikationen eine Hürde: Es ist ein langwieriges und teures bürokratisches Verfahren, für Pastuschenko verbunden mit mehreren Hundert Euro Gebühren für Behörden, Gutachten und amtlichen Übersetzungen. "Und es dauert erfahrungsgemäß immer ein gutes Jahr", bestätigt Thorsten Spinn, Geschäftsführer des Jobcenters Bremen.
Auch Anna Smyrna hat das erfahren. Gleich in den ersten Kriegstagen ist die 36-jährige Sozialpädagogin ebenfalls mit zwei Kindern aus Kiew nach Bremen gekommen. In der ukrainischen Hauptstadt hat sie mit ihrer Qualifikation im deutschen Kindergarten gearbeitet. In Bremen ist sie zwar auch wieder in einer Kita beschäftigt, aber als persönliche Assistenz im Minijob für ein Inklusionskind. "Damit mein Abschluss auch hier gültig ist, wird ein praktisches Anerkennungsjahr und einige Weiterbildungsmodule verlangt", hat sie seitdem herausgefunden.
Qualifikationen hauptsächlich in reglementierten Berufen

Die Sozialpädagogin Anna Smyrna arbeitet aktuell als persönliche Assistenz in einer Kita.
Gerne würde sie parallel zu diesen Bemühungen regulär zumindest als Erzieherin arbeiten, ausreichende deutsche Sprachkenntnisse dafür sind nachgewiesen, Erzieherinnen sind zudem gesucht, doch nahezu alle qualifizierten Tätigkeiten im Bereich Erziehung, Pflege und Soziales sind in Deutschland sogenannte reglementierte Berufe: Ohne formal anerkannte Abschlüsse ist keine Beschäftigung erlaubt.
Rund zwei Drittel der ukrainischen Flüchtlinge in Bremen, wie in ganz Deutschland sind Frauen und von denen wiederum bringt die überwiegende Mehrheit Qualifikationen und Erfahrungen in genau diesen Berufsfeldern mit. Die langen, aber notwendigen Anerkennungsverfahren der ukrainischen Berufsabschlüsse ist daher vermutlich einer der entscheidenden Gründe für den jüngst veröffentlichten Befund einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Demnach arbeiten in Deutschland um die 20 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge, deutlich weniger als in anderen EU-Ländern. So lag die Erwerbstätigkeitsquote laut der Analyse in Großbritannien, Dänemark und Tschechien bei mehr als 50 Prozent, in Polen sogar bei 66 und in den Niederlanden bei 70 Prozent.
Jobcenter sieht Erfolgsgeschichte

Thorsten Spinn, Geschäftsführer des Jobcenter will den "Job-Turbo" in Bremen organisieren
Auf der anderen Seite sieht man beim Jobcenter in Bremen eine Erfolgsgeschichte. Zeigte die Statistik im Februar 2022, dem letzten Monat vor Kriegsbeginn im gesamten Bundesland 630 Beschäftigte aus der Ukraine, waren es im September 2023 rund 1900, mehr als dreimal so viel. Über 75 Prozent davon sind reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. "Eine Berufstätigkeit ist bei den aus der Ukraine geflüchteten Frauen der Normalfall, es gibt einen ausgeprägten Willen, hier daran anzuknüpfen", berichtet Spinn. Er geht darum davon aus, dass die Zahl ukrainischer Beschäftigter weiter steigt, denn je länger sie sich in Deutschland aufhalten, desto wahrscheinlicher werde es, dass die Abschlüsse anerkannt und die Sprache gelernt wurde.
Verbesserte Anerkennungsverfahren hält Spinn dennoch für empfehlenswert. Eine von der Bremer Arbeitnehmerkammer beauftragte Studie der Universität Bremen macht dazu konkrete Vorschläge, etwa eine befristete, vorläufige Berufszulassung in den Erziehungsberufen. Dann könnte parallel zu eventuell noch notwendigen Weiterqualifizierungen bereits gearbeitet werden. Das würde beispielsweise Anna Smyrnas Lage deutlich vereinfachen und Bremen eine Erzieherin bescheren.
In den nicht reglementierten Berufen sind parallele Verfahren ein zentrales Konzept des von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigten "Jobturbos" für Flüchtlinge. Qualifizierung, Spracherwerb und ein reguläres Arbeitsverhältnis sollen Hand in Hand ermöglicht werden. "Dazu brauchen wir Unternehmen, die den Geflüchteten eine Chance geben und sie einstellen, auch wenn sie noch nicht perfekt Deutsch sprechen oder die endgültige Anerkennung ihres Berufsabschlusses noch nicht vorliegen haben", wirbt Spinn.
Ein solches Vorgehen auch in den reglementierten Berufen zu ermöglichen ist Ländersache. Niedersachsen hat etwa für gesuchte Pflegeberufe seit März 2022 eine Abkürzung für Geflüchteteb eschlossen. Sie können auf das gesamte Anerkennungsverfahren ihrer Diplome verzichten und stattdessen eine umfangreiche theoretische und praktische Kenntnisprüfung ablegen. Dieser Weg in den Beruf darf laut Gesetz dann höchstens sechs Monate dauern.