Wenn an diesem Sonnabend Werder Bremen im Weserstadion zum ersten Heimspiel der Saison gegen Borussia Dortmund antritt, wird auch Kenneth Shutt wieder dabei sein. So wie seit 20 Jahren vor jedem Heimspiel öffnet der 71-jährige Brite unter dem Dach einer Autowerkstatt in der Straße Auf dem Peterswerder dann wieder seinen Verkaufstresen für Bier und Bratwurst. Nur einen Steinwurf vom Stadion entfernt ist das für viele Fußballfans ein beliebter Stopp auf dem Weg vom Brommyplatz ins Weserstadion.
Doch Shutts Ausschank ist akut vom Aus bedroht. Schon dafür, dass er an diesem Sonnabend öffnen kann, musste er einen Anwalt bemühen. Denn erstmals seit 2004 hat die Behörde seinen Antrag für den "Getränke- und Imbissstand ohne Sitzgelegenheiten", wie es amtlich heißt, nicht mehr genehmigt. Für Shutt und seine Lebensgefährtin Quing Wang eine mehr als unangenehme Überraschung. Vor fünf Jahren, als ihm zuletzt eine bis 30. Juni 2024 geltende Genehmigung erteilt wurde, hatte ihm der zuständige Sachbearbeiter im Bauamt für die Zeit danach sogar eine unbefristete Erlaubnis in Aussicht gestellt. Doch die Verantwortlichkeiten im Amt haben gewechselt.
Ablehnung kam völlig überraschend
"Die Ablehnung kam für mich aus heiterem Himmel", erzählt er. Seine Frau und Geschäftspartnerin Wang traf es persönlich noch unglücklicher. Sie war gerade das erste Mal seit vier Jahren bei ihrer Mutter in China zu Besuch, als die Nachricht aus Bremen kam. Statt eines fröhlichen Wiedersehens standen plötzlich existenzielle Sorgen im Mittelpunkt. Denn der kleine Verkaufsstand wenigstens 17-mal immer zwischen August und Mai sichert dem Paar wichtige Einnahmen.
Das war von Anfang an so, denn als sie 2004 erstmals den Bierverkauf starteten, betrieben sie hauptberuflich eine Eisdiele im Viertel. Doch die lief nicht sonderlich gut und im Winter schon gar nicht. Die in England im Hotelfach ausgebildete Wang war in Sachen Eis zuvor noch bei Cercena in Findorff in die Lehre gegangen, aber irgendwie nahmen die Kunden einer Chinesin nicht ab, gutes Gelato machen zu können. "Die haben immer nur ungläubig gefragt, ob ich Italienerin sei. Nun ja, offensichtlich nicht", erinnert sich Wang.
Verweis auf Baunutzungsverordnung von 1977
Shutt kam dann auf die Idee mit dem Bierstand, angesichts von mehreren Tausend Fußballfans und potenziellen Kunden, die bei jedem Heimspiel durch den Peterswerder drängen. Aus dem Eisladen im Viertel ist zwar inzwischen ein Asia-Imbiss geworden, doch der saisonale und mobile Verkaufsstand ist weiterhin wichtig für das Paar, gerade nach den langen Einnahme-Ausfällen durch die Corona-Pandemie. Auch drei Aushilfskräfte freuen sich regelmäßig über die Einnahmen aus dem Minijob bei den Werder-Heimspielen. "Das öffentliche Interesse an dem Widerruf der Baugenehmigung ist höher zu bewerten als Ihr überwiegend wirtschaftliches Interesse an dem Bestand der widerruflichen Genehmigung", heißt es dagegen im schönsten Amtsdeutsch im jetzt ergangenen Ablehnungsbescheid.
Zur Begründung verweist das Bauamt auf den geltenden Bebauungsplan von 1989, dessen zugehörige Baunutzungsverordnung seit 1977 ein allgemeines Wohngebiet am Peterswerder ausweist. Darin seien nur Schank- und Speisewirtschaften zulässig, die der Versorgung des Gebiets dienen. Shutts mobiler Verkaufstresen falle nicht darunter, da er erkennbar auf auswärtige Besucher abziele.
Shutt bestreitet das gar nicht, im Gegenteil: "Ich habe viele Gäste auch unter den auswärtigen Fans, die vor allem die Bratwurst schätzen", sagt er stolz. Die lasse er eigens aus Thüringen kommen und gegrillt wird auf echter Holzkohle. "Gibts ja auch nicht mehr so oft." Für Kinder ist die Wurst zudem einen Euro günstiger. Das komme alles sehr gut an.
Verkaufstresen verhindert Wildpinkelei
Dass der Behörde im 21. Jahr seines Bierausschanks plötzlich auffällt, dass er dies eigentlich nicht tun könne, findet Shutt ziemlich befremdlich. Er hat im Vertrauen auf den weiteren Betrieb kontinuierlich investiert. Aus dem anfangs eher improvisierten Tresen ist ein rollender, professioneller Bierstand geworden, den zwei historische Benzin-Zapfsäulen zieren, hinter denen sich der Bierhahn verbirgt. "Alles selbst gebaut", sagt der gelernte Mechaniker stolz. Die Zapfsäulen verweisen auf seinen Standort auf dem Gelände einer Autowerkstatt. Dessen Betreiber gestattet Shutt und Wang nicht nur die Nutzung des Grundstücks, sondern hat jetzt in einem Brief an die Baubehörde klar gemacht, warum er den Betrieb sogar ausdrücklich begrüßt: Bevor es den Ausschank gab, wurde in dem weitgehend überdachten offenen Vorhofraum von den Besuchern des Weserstadions überall an Wände und Gebäudeecken gepinkelt.
Shutt hat per Anwalt Widerspruch eingelegt und will auch vor das Bremer Verwaltungsgericht ziehen. Das hat immerhin dazu geführt, dass die Behörde den angeordneten sofortigen Vollzug ihres ablehnenden Bescheids zunächst ausgesetzt hat. Shutt und Wang können also erst mal weitermachen. Beim ersten Heimspiel will er am kommenden Sonnabend zusätzlich die Unterstützung der Fans und Gäste einsammeln. Er plant eine Unterschriftenliste für den Weiterbetrieb des Verkaufsstandes.