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Debatte in der Bürgerschaft Elektronische Fußfessel kommt – auch in Bremen

In der Sache sind sich alle Bremer Bürgerschaftsfraktionen einig: Die elektronische Fußfessel ist sinnvoll. Die Debatte über deren Einführung geriet am Donnerstag im Parlament trotzdem zur Schlammschlacht.
11.09.2025, 18:53 Uhr
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Elektronische Fußfessel kommt – auch in Bremen
Von Ralf Michel

Die Bremische Bürgerschaft hat am Donnerstag über die Einführung der elektronischen Fußfessel diskutiert. In der Sache sind sich alle einig, sowohl Regierungskoalition als auch Opposition hätten die Fußfesseln lieber heute als morgen. Trotzdem geriet die Diskussion im Parlament zu einer "Schlammschlacht" (Zitat Marcel Schröder/FDP). Der Stand der Dinge (ohne Schlamm):

Worum geht es bei diesem Thema?

Um die Frage, wie man Frauen besser vor gewalttätigen Männern schützen kann. In Bremen wurden seit 2019 neun Frauen von ihren Partnern umgebracht, dazu gab es acht weitere Versuche. In der Stadt Bremen gab es im vergangenen Jahr 1797 Fälle von häuslicher Gewalt und weitere rund 900 in Bremerhaven. Die Opfer waren fast immer Frauen. Der Einsatz von elektronischen Fußfesseln soll dazu beitragen, die Zahl dieser Fälle deutlich zu senken. In anderen Ländern werden sie seit Längerem erfolgreich eingesetzt, insbesondere in Spanien.

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Was ist das "Spanische Modell"?

Elektronische Fußfesseln zeigen per GPS-Signal an, wo sich ihr Träger aufhält. Damit soll verhindert werden, dass ein Mann, der bereits in erheblichem Maße gewalttätig gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin geworden ist, sich ihr unbemerkt nähert. Dies gilt für bestimmte vorab festgelegte Ort, wie zum Beispiel den Wohnort der Frau oder ihren Arbeitsplatz. Sobald der Träger der Fußfessel dort auftaucht, wird bei der Polizei ein Alarm ausgelöst. Die Besonderheit des "Spanischen Modells" liegt darin, dass nicht nur der Täter einen GPS-Sender trägt, sondern auch das mutmaßliche Opfer. Nähert sich der Mann unerlaubter oder auch zufälligerweise der Frau auf weniger als 500 Meter, wird nicht nur die Polizei alarmiert, sondern auch die Betroffene. Sie kann auf diese Weise sofort Schutz suchen, während die Polizei noch auf dem Weg ist.

Was sind die Probleme bei der Einführung der Fußfessel?

Es gibt juristische Bedenken, aber auch Probleme in der praktischen Umsetzung. Auch wenn es sich bei den Trägern der Fußfessel um Menschen handelt, die bereits durch schwere Gewalttaten aufgefallen sind, bedeutet diese Maßnahme einen Eingriff in ihre Grundrechte. Schließlich werden sie rund um die Uhr überwacht, und dies noch dazu auf Verdacht, denn sie sind ja noch nicht wieder straffällig geworden. Gegen diese Art repressive Maßnahme im Vorfeld einer möglichen Straftat gibt es verfassungsmäßige Vorbehalte. Aber nicht nur rechtlich gilt es Hürden zu meistern, sondern auch technisch, organisatorisch und vor allem finanziell. So muss zum Beispiel geklärt werden, wer die Fußfesselträger überwacht. Bislang geschieht dies durch die zentrale elektronische Überwachungsstelle der Länder in Hessen. Sollte die elektronische Fußfessel tatsächlich bundesweit als Mittel zur Eindämmung der partnerschaftlichen Gewalt eingeführt werden, müsste diese Stelle erheblich aufgestockt werden.

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Wie ist der Stand bundesweit und in Bremen?

Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hat sich schon mehrfach für die Einführung des Spanischen Modells ausgesprochen, dies auch zu einem Schwerpunktthema der Innenministerkonferenz (IMK) gemacht, deren Vorsitzender er in diesem Jahr ist. Dort herrscht laut Mäurer inzwischen Einvernehmen über die Einführung der Fußfessel. Allerdings benötige man für die bundesweite Einführung einen Staatsvertrag, insbesondere zur finanziellen Absicherung. Die Eckpunkte für eine solche staatsvertragliche Regelung sollen bei der IMK-Herbstkonferenz im Dezember in Bremen vorliegen. Unabhängig davon muss die elektronische Fußfessel im Bremischen Polizeigesetz verankert werden. Dies ist im Rahmen der ohnehin geplanten Novellierung des Polizeigesetzes vorgesehen, die laut Mäurer noch in diesem Jahr erfolgen soll.

Was sagt die Opposition?

Das neue Polizeigesetz und damit auch die Einführung der elektronischen Fußfessel sei bereits für Ende 2024 angekündigt worden, kritisiert CDU-Fraktionschefin Wiebke Winter. Aber der Senat Bovenschulte bekäme dies offensichtlich nicht hin. Was laut Marcel Schröder (FDP) an verfassungsrechtlichen Bedenken der Justizsenatorin gegen den vorliegenden Referentenentwurf für das neue Polizeigesetz liegen könnte. Problematisch sei darin auch der vorgeschlagene Lösungsweg für die Fußfesseln. Um die Angelegenheit zu beschleunigen, legte die CDU am Donnerstag einen konkreten Vorschlag für die Änderung im Polizeigesetz vor. Die FDP ergänzte dies um einen eigenen Antrag, der die verfassungsrechtlichen Bedenken beseitigen sollte. Beide Anträge wurden jedoch von der Regierungsmehrheit im Parlament abgelehnt. In einer ganzen Reihe anderer Bundesländer sei die Nutzung der Fußfesseln längst rechtlich geregelt, merkte Jan Timke (Bündnis Deutschland) an dieser Stelle an.

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Und was die Regierungsparteien?

In der Bürgerschaft sprachen sich SPD, Grüne und Linke unisono für die Einführung der elektronischen Fußfessel aus. Allerdings sei sie kein innenpolitisches Allheilmittel, betonte Kevin Lenkeit (SPD). "Es ist falsch und gefährlich, zu suggerieren, dass dadurch die Fälle häuslicher Gewalt signifikant gesenkt würden." Die Fußfessel sei Bestandteil des Referentenentwurfs für das neue Polizeigesetz, aber es brauche Zeit, diese Sache verfassungskonform einzuführen, sagte Michael Labetzke (Grüne). "Hier ist Sorgfalt gefordert, nicht übertriebene Eile." Man brauche einen "sauberen und guten Gesetzgebungsprozess mit einem guten und belastbaren Ergebnis", argumentierte auch Nelson Janßen (Linke). Bremen werde sich am Spanischen Modell orientieren, doch damit allein sei es nicht getan. Patriarchalische Strukturen, Männlichkeitsideale, die auf Abwertung von Frauen basieren, soziale Lagen und Armut, die ein Katalysator für Gewalt sind, müssten ebenso angegangen werden.

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