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Verdienste und Steuern Warum die Bremer und ihre Stadt kaum von den hohen Löhnen profitieren

Das Lohnniveau in Bremen ist hoch, das Einkommen der Bremerinnen und Bremer hingegen niedrig. Warum? Wo wird das Geld verdient, wo wird es versteuert? Eine Analyse.
04.03.2025, 05:13 Uhr
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Von Andreas Ellinger

Das Lohn-Niveau in Bremen ist hoch, das Einkommen der Bremer niedrig. Warum? Zudem fließen Steuern an der Stadtkasse vorbei, die für Einkünfte anfallen, die in Bremen erarbeitet werden. Eine Analyse mit den wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie hoch ist das Lohn- und Gehaltsniveau in Bremen?

„Bremen verfügt durch seine vielfältige Branchenstruktur – insbesondere in der Industrie – über viele gut bezahlte Arbeitsplätze“, berichtet die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Häfen und Transformation. Das bestätigen staatliche Statistiken: Das mittlere Monatsentgelt der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in der Stadt Bremen lag nach Berechnung der Bundesarbeitsagentur im Jahr 2023 bei 4031 Euro. Im Vergleich der 400 Land- und Stadtkreise ergab das Platz 52 im Deutschland-Ranking. Im vorangegangenen Jahr war es Platz 55.

Ebenfalls aus dem Jahr 2022 stammt die aktuellste „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung“, welche die Statistik-Ämter des Bundes und der Länder für alle 400 Kreise veröffentlicht haben. Daraus geht hervor, dass in Bremen ein durchschnittlicher Bruttolohn von 30,75 Euro pro Arbeitnehmerstunde bezahlt wurde. Im Unterschied zum Medianentgelt sind in der Bruttolohn-Betrachtung auch die Einkünfte von Teilzeitkräften, Auszubildenden und geringfügig Beschäftigten enthalten. Diesbezüglich lag Bremen auf Platz 82 im Deutschland-Ranking.

Wie hoch ist das Einkommensniveau der Bremer?

Dahingegen weist die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein „Verfügbares Einkommen“ von nur 24.562 Euro pro Bremer aus. Damit liegt die Stadt auf Rang 253 von 400. Das „Verfügbare Einkommen“ wird je Einwohner und damit wohnortbezogen berechnet, Medianentgelt und Bruttolohn arbeitsortbezogen. Daraus folgt: Die relativ hohen Löhne, die in Bremen bezahlt werden, werden nur teilweise von Bremern erarbeitet.

Das stellt auch die Senatsverwaltung für Wirtschaft mit Blick auf die „vielen gut bezahlten Arbeitsplätze“ fest: „Jedoch profitieren nicht alle Bremerinnen und Bremer von diesen Arbeitsplätzen, da die Stadt eine vergleichsweise hohe Anzahl an Arbeitslosen und Geringverdienern aufweist, beispielsweise aufgrund von Qualifikationsdefiziten. Diese Faktoren beeinflussen sowohl die Wohlstands- als auch die Armutsstatistiken der Stadt.“

Warum fließt Einkommensteuer an der Bremer Stadtkasse vorbei?

Dass die Einwohner Bremens vom hohen Lohnniveau nur eingeschränkt profitieren können, ist für sie im doppelten Sinne nachteilig: „Der Anteil der Einpendler an den Beschäftigten in Bremen ist erheblich, was aufgrund der am Wohnort erhobenen Einkommenssteuer eine Herausforderung darstellt“, erklärt die Senatsverwaltung für Wirtschaft. „Denn während Bremens Wirtschaftskraft von den Einpendlern profitiert, bleibt die Finanzkraft der Stadt hinter dieser wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zurück.“

Dem 55. Platz beim Medianentgelt stand Platz 115 bei den Steuereinnahmen pro Einwohner gegenüber: Nur 1180,84 Euro kamen da im Jahr 2022 zusammen. Im Jahr 2023 waren es Rang 52 beim Medianentgelt und Rang 93 bei der gemeindlichen Steuerkraft. Andere Großstädte – auch abseits von München, Frankfurt und Stuttgart – stehen steuerlich besser da: Im Jahr 2023 kam Bremen auf 1290 Euro je Einwohner, Münster auf 1336 Euro, Nürnberg auf 1534 Euro, Mannheim auf 1547 Euro, Köln auf 1567 Euro und Karlsruhe auf 1642 Euro. Steuereinnahmen entscheiden nun mal darüber, wie viel Geld die Stadt für ihre Einwohner ausgeben kann.

Für wen ist Bremen als Arbeitsort besonders attraktiv, für wen als Wohnort?

Laut der Bremer Arbeitnehmerkammer handelt es sich um „ein Problem für Stadtstaaten ohne ,eigenes‘ Umland/Einzugsgebiet“. Insbesondere Besserverdiener neigen offenbar dazu, „im niedersächsischen Umland zu wohnen und für die Arbeit nach Bremen einzupendeln“, schreibt die Arbeitnehmerkammer. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration schildert das Ergebnis, „eine soziale Entmischung an den Stadtgrenzen, die zudem in Bremen aufgrund seiner kompakten Fläche auch stärker zu Buche schlägt als in den anderen Stadtstaaten“.

Die Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales erklärt das wie folgt: „Menschen, die Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt oder in die Gesellschaft brauchen, suchen die Orte auf, an denen sie die erforderlichen Unterstützungsstrukturen vorfinden.“ Das seien „generell die Städte“, so auch Bremen. „Dagegen suchen sich Menschen, die beruflich etabliert sind, ,das Häuschen im Grünen‘ mit ein bisschen Garten und mit dem Platz, das eigene Auto abzustellen.“ Das finde sich „im – verkehrstechnisch sehr gut erreichbaren – Bremer Umland deutlich günstiger als in der Stadt selbst“.

Warum ist die Stadt Bremen für Arbeitnehmer finanziell attraktiv?

Bremen tut etwas für das Lohnniveau in der Stadt: „Eine besondere Bedeutung“ haben „gute, faire Arbeitsbedingungen“, erläutert die Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales. „Sie werden abgesichert durch Tarifverträge, Tariftreue- und Vergabegesetze, Allgemeinverbindlichkeitserklärungen und den Landesmindestlohn.“ Mit dem Landesmindestlohn setze Bremen „ein deutliches Zeichen für faire Löhne“ und habe diesbezüglich im Jahr 2012 bundesweit eine Vorreiterrolle übernommen. Seit dem 1. Februar 2025 liege der Bremer Mindestlohn bei 14,28 Euro pro Stunde, während der Bundesmindestlohn seit 1. Januar 12,82 Euro betrage.

„Bremen versteht sich als Bundesland, in dem die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern traditionell eine große Rolle spielen“, betont die Senatsverwaltung. „Vom Landesmindestlohn profitieren Beschäftigte des Landes und der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven. Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Rahmen einer öffentlichen Auftragsvergabe tätig sind oder bei Einrichtungen arbeiten, die Zuwendungen des Landes oder der Kommunen erhalten, bekommen den Landesmindestlohn.“

Wie hoch sind die Löhne und Einkommen im Bremer Umland?

Dass die Stadt nicht von den Einkommensteuerzahlungen der Pendler profitiert, bezeichnet die Senatsverwaltung für Wirtschaft als „strukturelles Problem“. Während die staatlichen Statistiker in Bremen ein Verfügbares Einkommen von 24.562 Euro je Einwohner feststellten, lag es in allen angrenzenden Landkreisen höher: Wesermarsch (24.782 Euro), Osterholz (26.027), Rotenburg/Wümme (26.207), Verden (26.402), Oldenburg (26.614) und Diepholz (26.789). Bremerhaven kam übrigens nur auf 20.059 Euro. Jeweils im Jahr 2022.

Dahingegen weist die Stadt Bremen das höchste Lohnniveau in der Region auf. Um es am Beispiel des mittleren Monatsentgelts der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2023 darzustellen: Bremen (4031 Euro), Bremerhaven (3495), Wesermarsch (3973), Rotenburg/Wümme (3398), Verden (3360), Osterholz (3344) Diepholz (3327) und Oldenburg (3155 Euro).

Wie könnte das Bremer Struktur-Problem gelöst werden?

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft erklärt, wie das Einkommensteuer-Problem gelöst werden könnte – mit „einer Reform der föderalen Finanzverfassung“ oder mit einer „gezielten Erhöhung der Wohnortattraktivität Bremens“.

Die Bremer Arbeitnehmerkammer stellt derweil eher eine gegenteilige Entwicklung fest: „Üblicherweise legen Pendler*innen einen Arbeitsweg von weniger als 30 Kilometern zurück. Es ist aber auch zu beobachten, dass immer mehr Pendler*innen einen längeren Arbeitsweg auf sich nehmen – das sind insbesondere die Gut- und Spitzenverdiener*innen.“

Wie hoch ist das Preisniveau in Bremen und Umgebung?

Löhne und Einkommen sind mit Blick auf die Lebensverhältnisse in der Stadt aber nicht alles. Es kommt zudem auf das Preisniveau an. Und auch da gibt es in Deutschland Unterschiede, wie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und das Institut der Deuten Wirtschaften (IW) im Jahr 2022 errechnet haben. Der „Regionale Preisindex“ liegt demnach in der Stadt Bremen über dem Deutschland-Schnitt. Das drückt die Kaufkraft der Bremer zusätzlich: Preisbereinigt verwandelt sich das verfügbare Jahreseinkommen in Höhe von 24.562 Euro in ein Realeinkommen von 24.229 Euro.

In allen umliegenden Landkreisen trifft das auspendlerbeeinflusst hohe Einkommen hingegen auf ein niedriges Preisniveau. Das Preisniveau ist wesentlich von den Wohnkosten beeinflusst: Immobilienpreise und Mieten sind im ländlichen Raum niedriger. Das heißt, die Kaufkraft in den umliegenden Landkreisen, die einkommensbedingt ohnehin höher ist als in der Stadt Bremen, steigt zusätzlich. Der Kreis Diepholz kommt auf ein Realeinkommen von 27.773 Euro je Einwohner.

Zur Erinnerung: Die Betrachtung von Löhnen, Einkommen und Preisen basiert auf Durchschnitts- und Medianwerten – also durchweg auf Mittelwerten. Aus den Mittelwerten lässt sich eine Tendenz ableiten: Tendenziell ist es für Arbeitnehmer im Großraum Bremen maximal vorteilhaft, wenn sie sich in der Großstadt einen gut dotierten Arbeitsplatz und in der Wesermarsch ein Haus oder eine Wohnung suchen. Denn im Landkreis Wesermarsch liegt das Preis-Niveau am deutlichsten unter dem Bundesschnitt: Dort soll das Leben nach den Berechnungen von BBSR und IW – Stand 2022 – um 7,3 Prozent billiger sein

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