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Möglicher Fall von Untreue Klima-Demo hat juristisches Nachspiel für Maike Schaefer

Die Bremer Staatsanwaltschaft prüft, ob Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) Haushaltsmittel veruntreut hat. Schaefer hatte ihre Mitarbeiter zur Teilnahme an einer Demonstration in der Dienstzeit ermuntert.
31.03.2022, 20:12 Uhr
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Klima-Demo hat juristisches Nachspiel für Maike Schaefer
Von Jürgen Theiner

Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) droht juristischer Ärger. Die Staatsanwaltschaft prüft "den Anfangsverdacht einer Straftat", wie ein Sprecher bestätigte. Es geht um mögliche Untreue zulasten des Bremer Haushalts.

Anlass ist eine dienstliche E-Mail Schaefers an die Beschäftigten der Umweltbehörde. Wie berichtet, hatte die Senatorin ihre Mitarbeiter dazu ermuntert, an einer Klima-Demonstration teilzunehmen, zu der am vergangenen Freitag die Bewegung "Fridays for Future" aufgerufen hatte. In der E-Mail hieß es ausdrücklich, die Beschäftigten könnten während ihrer Dienstzeit an der Veranstaltung teilnehmen. Von vorherigem Ausstempeln oder Nachholen der Arbeitszeit war darin keine Rede.

Der Landesrechnungshof positionierte sich zu dem Vorgang bereits. Präsidentin Bettina Sokol kritisierte die Freistellung von Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes für die Teilnahme an einer Veranstaltung ohne dienstlichen Bezug: "Bezahlte Arbeitszeit mit privaten Tätigkeiten welcher Art auch immer zu verbringen, ist nicht zulässig."

Bremer Beamtenrechtler sieht möglichen Fall von Veruntreuung

Der WESER-KURIER hat spezialisierte Juristen mit dem Sachverhalt konfrontiert. Auch sie kommen zu der Einschätzung, dass Schaefers Verhalten zumindest problematisch ist. Der Bremer Beamtenrechtler Steffen Speichert sagte, es sei zu prüfen, ob die Senatorin eine Untreuehandlung begangen habe. "Bei der Bezahlung der Beschäftigten setzt die Senatorin ja nicht ihre Privatmittel, sondern Geld aus dem Haushalt ein. Dieses Geld muss dann auch entsprechend verwendet werden", so Speichert – nämlich für die Entlohnung dienstlicher Tätigkeiten und nicht außerdienstlicher Aktivitäten.

Den einzelnen Behördenmitarbeitern, die an der Demonstration teilgenommen haben, sei allerdings kein disziplinarrechtlicher Vorwurf zu machen. Dies sei nur dann möglich, wenn die Rechtswidrigkeit einer Anordnung oder Mitteilung durch den Dienstherrn offen zutage liegt. Davon hätten die Mitarbeiter nicht ausgehen können.

Zwei Stunden auf einer Demo spazieren zu gehen, ist eine völlig dienstfremde Angelegenheit. Dafür kann eine Behörde ihre Mitarbeiter nicht bezahlen.
Staats- und Verwaltungsrechtler Ulrich Karpen

Der Hamburger Staats- und Verwaltungsrechtler Ulrich Karpen attestiert Maike Schaefer gleich drei Verfehlungen. Zum einen habe sie mit ihrem Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, an das sie als Behördenleiterin gebunden sei. Natürlich könne sich die Umweltbehörde als Institution klimapolitisch klar positionieren.

Es sei aber etwas ganz anderes, wann man die einzelnen Mitarbeiter dazu aufruft, privat auf einer Demonstration in einer bestimmten Richtung politisch Flagge zu zeigen. "Insofern hat die Senatorin auch ihr Weisungsrecht missbraucht, denn ihre Ermunterung zur Teilnahme an der Veranstaltung ist nichts anderes als eine versteckte Weisung", meint der emeritierte Rechtsprofessor der Universität Hamburg.

Die Freistellung von Beschäftigten für eine nicht dienstliche Veranstaltung während der Arbeitszeit stuft Karpen als besonders schweren Fall der Untreue ein – besonders schwer, weil von einer Amtsträgerin begangen. "Zwei Stunden auf einer Demo spazieren zu gehen, ist eine völlig dienstfremde Angelegenheit. Dafür kann eine Behörde ihre Mitarbeiter nicht bezahlen", hält Ulrich Karpen fest. Sein Fazit: "Wenn die Staatsanwaltschaft bei dieser Sache auf zack ist, kann dabei eine Bestrafung herauskommen."

Bremer Umweltbehörde will Klärung durch Staatsanwaltschaft unterstützen

So weit würde Christian Koch nicht gehen. Der Professor an der Deutschen Hochschule für Verwaltung in Speyer sieht den Sachverhalt gleichwohl kritisch. Für Koch stellt sich die Frage, ob Maike Schaefer ihre Mitarbeiter auf die Straße schicken durfte, um die Klimaschutzziele ihres Hauses sichtbar zu machen – im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit. Eher nicht, meint der Jurist. "Kollektive Meinungskundgabe in einer allgemeinen Demonstration darf meines Erachtens auch zu diesem Verwaltungszweck nicht dienstlich angeordnet werden", so Koch.

Und um eine Weisung habe es sich sehr wohl gehandelt, wenn Schaefer in ihrer E-Mail an die Mitarbeiter schrieb: "Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ressorts sowie zugehöriger Dienststellen an der Demonstration am Freitag teilnehmen würden." Eine solche Formulierung erfüllt für den Verwaltungsjuristen "noch die Anforderungen an eine Weisung".

Auf der Leitungsetage der Behörde fand am Donnerstagnachmittag eine Krisensitzung statt, nachdem die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft bekannt geworden waren. Im Anschluss teilte Schaefers Pressesprecher Jens Tittmann mit, die Behörde unterstütze die Aufklärung des Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft "vollumfassend".

Tittmann relativierte außerdem eine Formulierung Schaefers aus ihrer E-Mail vom vergangenen Freitag, in der es geheißen hatte, die Beschäftigten könnten "an der Demonstration während der Dienstzeit mitwirken". Grundsätzlich gelte nämlich, das sich alle Beschäftigten der Behörde beim Betreten und Verlassen des Dienstgebäudes ein- und ausstempeln müssten. Aus dem Rathaus war am Donnerstag keine Stellungnahme zu dem Vorgang zu erhalten.

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