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Senat richtet neue Stellen ein Bremer Ausbildungsfonds: Handelskammer fürchtet "Bürokratiemonster"

Zur Vorbereitung der geplanten Ausbildungsabgabe für Bremer Betriebe schafft der Senat neue Stellen im Arbeitsressort. Aus Sicht von Handelskammer und CDU wächst da ein neues "Bürokratiemonster".
03.05.2024, 05:00 Uhr
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Bremer Ausbildungsfonds: Handelskammer fürchtet
Von Jürgen Theiner

Mehr Jugendliche in Ausbildung bringen und ausbildende Betriebe finanziell belohnen: Dieses Ziel verfolgt der Senat mit dem Ausbildungsunterstützungsfonds, den die Bürgerschaft im Frühjahr 2023 beschloss. Mindestens ebenso lange läuft die Wirtschaft schon Sturm gegen das Projekt. Nun sehen sich Handelskammer und CDU in ihrer Kritik bestätigt, nachdem der Senat in der vergangenen Woche erste Entscheidungen zur Verwaltungsstruktur des Fonds getroffen hat, in den alle Betriebe eine Abgabe einzahlen sollen. Es entstehe ein „Bürokratiemonster“, befürchten die Kritiker des Vorhabens.

Der Senatsbeschluss zur „Umsetzung des Gesetzes zur Errichtung eines Ausbildungsunterstützungsfonds im Land Bremen (AusbUFG)“ sieht vor, dass zum 1. Januar 2025 ein IT-gestütztes Meldeportal für die Arbeitgeber startklar sein soll. Die Betriebe müssen dort die Daten eingeben, die zur Berechnung der Abgabe notwendig sind. Für die Sachbearbeitung bei der Verwaltung des Fonds will das Arbeitsressort 5,5 neue Planstellen schaffen. Bereits jetzt bilden zwei Mitarbeiter der Behörde eine sogenannte Stabsstelle zur Vorbereitung des Fonds. Weitere anderthalb Positionen sind für die Geschäftsstelle des Verwaltungsrats der Ausbildungsfonds ausgeschrieben. Allein für die jetzt beschlossenen 5,5 Planstellen fallen künftig Personalkosten von jährlich gut 500.000 Euro an. Beschaffung und Betrieb des IT-Systems schlagen 2024/25 mit rund 1,5 Millionen Euro zu Buche.

Was genau sollen die 5,5 Sachbearbeiterstellen leisten? In der Senatsvorlage ist unter anderem von telefonischer Beratung der Betriebe die Rede, etwa zur Bedienung des digitalen Meldeportals. Weitere Stichwörter sind „die qualifizierte Bearbeitung von Härtefallanträgen, Schätzverfahren, Stichprobendurchführung und Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten“. Auch sollen die Mitarbeiter „Erinnerungsbriefe bei Nicht-Bedienung des Meldeportals“ schreiben.

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Nach Einschätzung von Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, handelt es sich bei den genannten Kosten in den ersten beiden Jahren nur „um die Spitze des Eisbergs“. Es sei abzusehen, dass mit der Zeit weitere Ausgaben für die Administration dieses „Bürokratiemonsters“ nötig werden. Wenn allein in den ersten beiden Jahren rund zwei Millionen Euro an Bewirtschaftungskosten anfallen, ergebe sich ein ungünstiges Verhältnis zum gesamten Umverteilungsvolumen des Fonds. Fonger ruft den Senat auf, den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten, das die Handelskammer vor dem Staatsgerichtshof angestrengt hat. In diesem sogenannten Normenkontrollantrag geht es um die Frage der Rechtmäßigkeit des Fonds. Mit einer Entscheidung wird für die Jahresmitte gerechnet.

Auch in der CDU-Bürgerschaftsfraktion blickt man nach den Worten ihrer wirtschaftspolitischen Sprecherin Theresa Gröninger „kopfschüttelnd“ auf die aktuellen Beschlüsse: „Die Entscheidung des Senats, bei der Arbeitssenatorin 5,5 neue Vollzeitstellen zu schaffen, die sich um die postalische Kommunikation mit den Betrieben kümmern sollen, wirkt im digitalen Zeitalter höchst rückständig“, findet Gröninger. Der Vorgang zeige letztlich, wie stümperhaft der Senat bei der Verwaltungsdigitalisierung vorgehe. Anstatt das zur Jahreswende startende neue Verfahren von vornherein komplett digital aufzustellen, werde zusätzliches Personal für den Postversand und die Ermittlung von Adressen eingestellt. Gröninger: „Das ist ein Fehlstart mit Ansage und reinste Geldverschwendung.“

Dem widerspricht Senatorin Claudia Schilling (SPD). Die Verwaltungsstruktur des Ausbildungsunterstützungsfonds werde „so schlank wie möglich“ sein. „Weitgehend digital und anwenderfreundlich“ sei auch das geplante Verfahren zur Ermittlung der Abgabenhöhe und der Auszahlungen aus dem Fonds. Wichtig ist aus Schillings Sicht auch: Die genannten Verwaltungskosten werden nicht aus den Abgaben der Betriebe bestritten, sondern aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Landes. Für das laufende Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ist Schilling optimistisch: „Wir sind weiterhin von der Rechtmäßigkeit des Ausbildungsunterstützungsfonds überzeugt.“

Zur Sache

Mit dem Ausbildungsfonds will die rot-grün-rote Koalition auf den Rückgang betrieblicher Ausbildungsverhältnisse gegenüber dem Vor-Corona-Niveau reagieren. Insbesondere in der Industrie und bei den kaufmännischen Angestellten sank 2022/23 die Zahl der Azubis. Mit dem Ausbildungsfonds soll nun gegengesteuert werden. Ziel ist ein Lastenausgleich zwischen ausbildenden Betrieben und solchen, die auf diesem Gebiet keine eigenen Anstrengungen unternehmen. Bis auf Kleinstbetriebe zahlen alle Firmen maximal 0,27 Prozent ihrer Bruttolohnsumme in den Fonds ein. Wer ausbildet, erhält aus dieser Umlage pro Azubi bis zu 2250 Euro zurück.

Starten soll das System zum Beginn des Ausbildungsjahres 2024/25. Die erwarteten Einnahmen liegen bei rund 30 Millionen Euro pro Jahr. Gut drei Viertel davon gehen in die Umverteilung zwischen den Betrieben. Mit dem Rest sollen Projekte zur Stärkung der Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen finanziert werden. Insbesondere kleinere Betriebe können dann auf einen Pool von Pädagogen, Sozialarbeitern und anderen Fachkräften zurückgreifen, die Jugendliche während ihrer Ausbildung beruflich und privat stabilisieren.

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