Kein Naturschutzgebiet, aber ein Naherholungsgebiet, in dem viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten unter Schutz stehen, so charakterisiert Dirk Hürter, Leiter des Referates 26 für Naturschutz- und Landschaftspflege beim Umweltressort, die Pauliner Marsch. Der Natur- und Landschaftsschutz stand dieses Mal im Mittelpunkt des nunmehr fünften Workshops zum geplanten Werder-Leistungszentrum. Ursprünglich seien auch Vertreter der Naturschutzverbände eingeladen gewesen, diese hätten jedoch kurzfristig wegen Krankheit absagen müssen, erläuterte Moderator Markus Birzer. Das wichtige Thema der Licht- und Lärmbelastung solle in einem weiteren Workshop nachgeholt werden, versprach er.
Position der Umweltbehörde
So standen an diesem Abend in der Friedensgemeinde Experteneinschätzungen der Umweltbehörde im Fokus. Wie eben von Hürter und seines Ressort-Kollegen Thomas Knode, Leiter des Referates 25 für Grünflächen und Erholung. Hürter hob die Bedeutung der Pauliner Marsch als kühlende, grüne Lunge in heißen Sommernächten und besonders in der Östlichen Vorstadt hervor. Er betonte weiter, dass, falls es zu einem Bau des Leistungszentrums kommen sollte, erst einmal eine Kartierung der Tier- und Pflanzen-Bestände vorgenommen werden, sowie über Ausgleichs- und Umsiedlungsmaßnahmen nachgedacht werden müsste.
Anhand einer Präsentation erläuterte er Standort und Bedeutung von Schutzgütern, die generell für Klima und Erholung in der Pauliner Marsch wichtig. Dazu zählen Biotope, Boden, Wasser und Landschaft. Dabei hob er auch das hohe Wasserversickerungspotenzial hervor. Fazit: Die Pauliner Marsch habe einen der höchsten Erholungswerte in Bremen, auch wenn sie ganz anders als der Bürgerpark strukturiert sei.
Konzept des Landschaftsarchitekten
Landschaftsarchitekt Thorsten Kreikenbaum hatte im Auftrag des SV Werder eine Konzeptskizze erstellt, wie das Areal rund um das Leistungszentrum aussehen könnte, sollte es denn gebaut werden. Die Bäume auf dem Gebiet sollen demnach erhalten bleiben. Kreikenbaum zu Folge sollen insgesamt 100 neue Bäume gepflanzt werden. Denn an einer Seite sei eine großzügige Baumallee geplant, zwischen den beiden Gebäuden eine Promenade, die mit Gastronomie und einer Sitzlandschaft zum Verweilen einladen solle. Zudem solle eine Rampe für den barrierefreien Zugang zur Weser gebaut werden sowie direkt unterhalb des Osterdeiches ein multifunktional nutzbarer Rosenplatz am Ende des neu gestalteten Rosenweges eingerichtet werden mit Sitztribünen am Osterdeich zum Verweilen.
Bedenken der Anwohner
Petra Wessels, die sich als Anwohnerin bereits 2005 an der Erarbeitung des Leitbild-Kontraktes für die Pauliner Marsch engagierte und sich immer noch stark für den Landschafts- und Naturschutz einsetzt, kritisierte "die perfekte Welt hinter den Schreibtischen", die kaum etwas mit der Realität zu tun habe. Seit 2005 habe sie an Begehungen mit dem Ortsamt teilgenommen. Dabei sei unter anderem immer wieder eine Verbesserung der Wege-Qualität gefordert worden sowie eine Entsiegelung der Flächen als Beitrag zur Biodiversität. Kaputte Zäune seien letztendlich auf Kosten des Beirates entfernt worden. "Nichts ist passiert", zeigte sich Wessels enttäuscht.
Hans-Gerd Fischer, seit 65 Jahren Mitglied im Tennisverein Rot-Weißm der in der Pauliner Marsch ansässig ist, fragte detailliert nach und wollte genau wissen, ob zwischen der geplanten Baumallee nicht doch eine Straße für den Busverkehr zu den Spielen eingerichtet werden solle. Fischer wollte auch wissen, wie es sich denn mit der geplanten Promenade zwischen den beiden Gebäuderiegeln verhalte, die laut Skizze zehn Meter hoch und 80 Meter lang sein sollten.
Wünsche der Anwohner
Wie viel die Pauliner Marsch besonders der direkten Anwohnerschaft bedeutet, wurde im zweiten Teil des Workshops deutlich. Mitglieder des Begleitgremiums referierten die Wünsche, die in der Pause abgegeben worden waren, darunter der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene, sowie der Wunsch, keinen einzigen Baum zu fällen und nach einer größeren Vielfalt von Sportmöglichkeiten für Menschen aller Altersgruppen. Auch gewünscht: ein engmaschiges Fußwegenetz. Weitere Forderungen: Keine Verschlechterung des Erholungswertes sowie keine Vermüllung, kein Verkehr, kein Lärm. Fazit: "Die Pauliner Marsch soll eine Augenweide bleiben".
Haltung des Werder-Präsidenten
Verwundert zeigte sich Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald über "das tiefe Misstrauen", das ihm aus den Reihen der Anwesenden entgegenschlug. Es müsse doch darum gehen, in einem Abwägungsprozess einen Kompromiss zu finden. Moderator Markus Birzer hatte zuvor betont, dass alle Anregungen, die die Bürgerinnen und Bürger während der Workshops mündlich oder schriftlich machten und die auf der Internet-Seite eingingen, ausgewertet werden würden.
Eines sei aber auch klar: Selbst wenn die Empfehlung des Begleitgremiums zum geplanten Werder-Leistungszentrum negativ ausfallen sollte, stehe es dem SV Werder trotzdem frei, seine Pläne weiterzuverfolgen. Das letzte Wort liege letztendlich beim Senat und in dessen Entscheidungsfindung werde das Votum der Bürgerinnen und Bürger mit Sicherheit eine Rolle spielen. Die Ergebnisse des Begleitgremiums sollen in der Beiratssitzung am 6. Juni vorgestellt werden. Dann werde sich der Beirat dazu verhalten, so Steffen Eilers, Sprecher des Beirates Östliche Vorstadt.
Haltung von Teilen der Anwohnerschaft
Ob Hess-Grunewalds Haltung zeigte sich seinerseits Stefan Schafheitlin von der Wählergemeinschaft "Leben im Viertel" (LIV) verwundert: "Das Misstrauen haben Sie doch selbst erzeugt, weil sich der SV Werder mit verschiedenen Ausbauplänen immer weiter in die Pauliner Marsch hineingefressen hat. Und ich sehe kein Ende. Weitere Wünsche werden folgen", so Schafheitlins Prognose.
Uli Barde vom Sportgarten plädierte abschließend für eine ökologische Aufwertung der Pauliner Marsch und für eine Kompromisslösung. Als Ausgleich für den Bau eines Leistungszentrums sei Platz 10 als Ausgleichsfläche für die Nutzung durch die Bevölkerung denkbar. Ex-SPD-Senatorin Eva-Maria Lemke-Schulte ermunterte Beirat und Bürger dazu, sich auch nach dem Ende der Workshops in das gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsverfahren weiter einzumischen.