Afghanistan, Corona und der Klimawandel: Das waren die drei Themen, die die beiden Moderatoren Michael Brandt, Lokalchef und Mitglied der Chefredaktion des WESER-KURIER, sowie Chef vom Dienst Markus Peters im jüngsten WK-Talk im Bürgerhaus Vegesack mit den Spitzenkandidaten der Parteien im Wahlkreis 55 Bremen verhandelten. In allen drei Gebieten gab es in den zurückliegenden Jahren zwar viele parteiübergreifende Entscheidungen im Bundestag, aber vier Wochen vor der Wahl am 26. September betonten die Kandidaten vor allem die Unterschiede.
Die meiste Einigkeit herrschte noch bei der Auffassung, dass weiterhin alles unternommen werden müsse, um aktuell Ortskräfte, Helfer und die direkt durch die Taliban gefährdeten Menschen aus Afghanistan herauszubringen. Doch bei den mittel- und langfristigen Folgerungen aus dem „kollektiven Versagen des Westens“, wie es Wiebke Winter (CDU) formulierte, lagen die Positionen zum Teil weit auseinander. Für Doris Achelwilm (Linke) ist Afghanistan ein Beleg dafür, dass mit Militärmissionen keine Demokratie aufgebaut werden könne. Militärische Einsätze Deutschlands im Ausland seien daher prinzipiell fragwürdig.
Ganz anders Uwe Schmidt (SPD), der dafür plädierte, Europa und Deutschland unabhängig von den USA militärisch einsatzfähig zu machen. Auf die Forderung von Winter, das mit den Nato-Partnern vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben endlich ernsthaft anzugehen, reagierte er mit dem Hinweis auf hausgemachte Beschaffungsprobleme. „Das Verteidigungsministerium schafft es derzeit doch gar nicht, die Mittel auszugeben, die ihm zur Verfügung stehen.“
Michael Labetzke (Grüne) wünschte sich, die Frage künftiger Militärmissionen in eine klare außenpolitische Haltung einzubinden. „Wir haben im Grunde keine Position zu China oder zu Syrien und sind bei diesen Fragen auch nicht mehr der Motor für eine europäische Linie.“ Gökhan Akkamis (FDP) machte darauf aufmerksam, dass bei den aktuellen Evakuierungen wichtige Detailfragen völlig ungeklärt seien. „Was ist mit erwachsenen Kindern der afghanischen Bundeswehrhelfer? Ob und wie kümmern wir uns um diejenigen Ortskräfte, denen schon auf eigene Faust eine Flucht in ein Nachbarland gelungen ist?“
Beim Thema Corona war man sich darin einig, dass eine hohe Impfquote der Ausweg aus der Pandemie sei. Über den Weg dahin gab es keine gemeinsame Auffassung. Bei der Frage, ob Tests künftig kostenpflichtig sein sollten, traten die Unterschiede besonders zutage: Achelwilm hält weiterhin kostenfreie Test für geboten, um die Infektionszahlen im Zaum zu halten. Winter sieht in kostenpflichtigen Tests ein Mittel, die kostenfreie Impfung attraktiver zu machen.
Hörbar schwer tat sich vor allem das Publikum mit Akkamis Vorschlag, mit 500 Euro Prämie zur Spritze zu locken. „Es gibt Studien die zeigen, dass damit die Impfquote schnell und sicher bei über 90 Prozent landet.“ Unterm Strich sei dies für den Staat zudem billiger, als weiterhin Tests zu finanzieren, zumal die 500 Euro auch wieder ausgegeben werden, argumentierte er. „Das kurbelt Konsum und Steuereinnahmen an.“ Die von Moderator Michael Brandt aufgeworfene Frage, ob er für seine Impfung dann nachträglich die 500 Euro erhalte, traf aber eher den Nerv der Zuhörer als Akkamis Überlegungen.
Labetzke zeigte sich vor allem verwundert, dass die Bundesregierung nach über 18 Monaten Pandemie noch immer keine Szenarien entwickelt hat, welche Maßnahmen abhängig von der weiteren Entwicklung ergriffen werden. „Das ist keine vorausschauende Politik.“
Beim Klimawandel warb Winter dafür, ehrgeiziger bei den Zielen zu werden. Sie verwies auf die Vorstellungen des CDU-Kanzlerkanidaten Armin Laschet, Planungsgesetze zu straffen, Klagemöglichkeiten „wegen Kröten und Hamstern“ einzuschränken und so Investitionen in erneuerbare Energien zu beschleunigen. Das sei ein Schlüssel, um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Labetzke beklagte dagegen vor allem „zuviel Gelaber.“ Man müsse endlich handeln, die Konzepte seien vorhaben. Die Stichworte seien unter anderem Tempolimit auf Autobahnen sowie Tempo 30. Auch der Verzicht des Staates auf Kerosin- und Mehrwertsteuer bei Flugfernreisen sei kontraproduktiv. „Das alles ist schnell veränderbar, wenn man denn will.“
Achelwilm lenkte den Blick auf die die soziale Balance bei der angestrebten Klimaneutralität, die aus ihrer Sicht ohne eine große Steuerreform zulasten der Vermögenden nicht machbar sei. Schmidt verwies auf die Bedeutung der Industrie und stellte heraus, dass es vielfach Einzel- und Detailentscheidungen sind, die in ihrer Gesamtheit den Klimaschutz voranbringen oder eben nicht. „Warum zum Beispiel ist die Seeschifffahrt noch immer vom Emissionshandel ausgenommen?“