Im Land Bremen haben die Fälle von Bürgergeld-Kürzungen nach dem Sanktionsverzicht während der Coronapandemie wieder zugenommen. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine entsprechende Anfrage der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft hervor. Demnach wurden 2023 gegen knapp 4.600 von insgesamt 67.600 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Land Bremen neue Sanktionen verhängt. 2021 lag die Zahl noch bei 2.100. Die Linken kritisieren den Anstieg, aber auch die offenbar unterschiedliche Handhabung der zugrundeliegenden gesetzlichen Vorgaben durch die Jobcenter in Bremen und Bremerhaven.
Das Bürgergeld als staatliche Leistung hatte das alte Hartz-IV-System 2023 abgelöst. Der Qualifizierungsgedanke wurde gestärkt, das Sanktionsregime zwar nicht abgeschafft, aber abgemildert. Im Frühjahr 2024 verschärfte der Gesetzgeber die Sanktionsmaßnahmen dann wieder. Seither kann das Jobcenter das Bürgergeld deutlich mindern, wenn etwa eine Arbeitsaufnahme verweigert wird. In Bremen und Bremerhaven geht es bei verhängten Kürzungen aber zumeist nicht um Arbeitsverweigerung, sondern um sogenannte Meldeversäumnisse. Das heißt, der Bürgergeldbezieher erschien beispielsweise unentschuldigt nicht zu einem vereinbarten Gesprächstermin. Das Jobcenter holt aber in der Regel nicht gleich beim ersten Fehlverhalten dieser Art die große Keule heraus. Eine Nachfrage des WESER-KURIER bei der Bremer Dienststelle ergab, dass erstmalige Einladungen an Bürgergeldbezieher zu Gesprächsterminen üblicherweise keine sogenannte Rechtsbehelfsbelehrung beinhalten, in der die Folgen eines Nichterscheinens beschrieben sind. Eine solche Belehrung wäre indes Voraussetzung für eine finanzielle Sanktion. Anders gesagt: Finanzielle Einbußen drohen in der Regel eher "Wiederholungstätern".
Nach Angaben des Senats lag der prozentuale Anteil der sanktionierten erwerbsfähigen Leistungsbezieher (ELB) im Zeitraum von Februar 2023 bis Januar 2024 im Land Bremen bei 0,6 Prozent. Im vergangenen Jahr scheint er sich weiter erhöht zu haben. Die vorgelegte Statistik enthält keine Daten für das Gesamtjahr 2024, sondern nur für den einzelnen Berichtsmonat September. Da bewegte er sich bei 0,8 Prozent. Was auffällt, sind die Unterschiede zwischen Bremen und Bremerhaven. Im genannten Zeitraum 2023/24 betrug der Sanktionsprozentsatz im Einzugsbereich des Bremer Jobcenters 0,5 Prozent, in Bremerhaven 0,9 Prozent. Im Berichtsmonat September ´24 fallen die Zahlen ähnlich weit auseinander. Der Senat hält den Anteil von Personen mit Leistungsminderungen an der ELB-Gesamtheit für "sehr niedrig", wie es in der Antwort auf die Linken-Anfrage heißt. "Das verdeutlicht, dass die meisten Menschen im SGB-II-Leistungsbezug mit dem Jobcenter kooperativ zusammenarbeiten und ihren Mitwirkungspflichten nachkommen".
Die Linken finden den Anstieg der Sanktionsquote gleichwohl kritikwürdig – besonders den Umstand, dass inzwischen auch wieder "Totalsanktionen" verhängt werden. Gemeint sind Leistungskürzungen um den jeweils rechtlich zulässigen vollen Minderungsanteil, nicht etwa ein kompletter Zahlungsstopp. Zwischen Februar 2023 und Januar 2024 gab es 13 solcher Fälle. Solche "Vollkürzungen" seien für jede betroffene Person "eine existenzielle Bedrohung", ist Linken-Fraktionschefin Sofia Leonidakis überzeugt. Sie meint: "Wer kein Geld für Lebensmittel, Strom oder andere lebensnotwendige Ausgaben hat, wird schon gar nicht Bewerbungen schreiben."