Der Verkehrsversuch auf der Martinistraße ist aus Mitteln finanziert worden, die zu diesem Zweck nicht hätten verwendet werden dürfen. Zu dieser Einschätzung kommt der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht für 2022. Zwischen Juli 2021 und April 2022 war die vierspurige Straße in der Innenstadt in mehreren Phasen unter anderem auf zwei Spuren zurückgebaut worden.
Im Rahmen des Begleitprogramms "Transformartini" wurden unter anderem Holztürme an der Straße platziert, eine mobile Surfwelle zog Jugendliche an. Das Verkehrsressort von Senatorin Maike Schaefer (Grüne) finanziert all dies mit über einer Million Euro aus dem Bremen-Fonds, einem Kredittopf zur Linderung der Pandemiefolgen. "Doch der Verkehrsversuch hatte null und gar nichts mit der Pandemie zu tun", rügte Rechnungshofpräsidentin Bettina Sokol am Donnerstag bei der Vorstellung ihres Jahresberichts.
Der Rechnungshof fand auch in anderen Bremer Behörden Kritikwürdiges. In dem knapp 100 Seiten starken Jahresbericht werden unter anderem diese Sachverhalte aufgelistet:
- Oft wird bei finanziellen Entscheidungen auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung verzichtet, obwohl das Haushaltsrecht sie vorschreibt. Ins Visier der Prüfer geriet in diesem Zusammenhang unter anderem das Gesundheitsressort, und zwar wegen der langfristigen Anmietung eines Drogenkonsumraums in Bahnhofsnähe. Obwohl sich die Kosten während des Planungsprozesses mehr als verachtfacht hätten, sei die Behörde von Senatorin Claudia Bernhard (Linke) dabei geblieben, für die ausgewählte Immobilie einen über 17 Jahre reichenden Nutzungsvertrag abzuschließen.
- Zuschussempfänger von Land und Stadt Bremen wie Vereine, Verbände oder etwa Träger von Kindertagesstätten erhalten ihr Geld oft ohne ausreichende vorherige Prüfung des Mittelbedarfs. Auf diese Weise konnte etwa ein Elternverein, der eine Kita betreibt, sein Rechnungsjahr mit einem Überschuss von 100.000 Euro abschließen. Die Erlebniswelt "Universum" in Horn-Lehe hatte bereits einen Überschuss von 500.000 Euro in der Kasse und erhielt nach Sokols Darstellung noch 1,3 Millionen Euro obendrauf.
- Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) – ein weiterer Zuschussempfänger der öffentlichen Hand – erzielte dank Zuwendungen des Wissenschaftsressorts einen Überschuss von 1,6 Millionen Euro. Nebenbei fiel den Prüfern auf: Das ISL hielt eine 80-prozentige Beteiligung an einer Firma mit einem Eigenkapital von 75.000 Euro, trennte sich aber ohne vorherige gutachterliche Wertfeststellung von dieser Beteiligung und verkaufte sie zu einem Preis von acht Euro.
- Nach Rechtslage muss die Sozialbehörde Pflege- und Betreuungseinrichtungen nicht nur anlassbezogen, sondern auch jährlich wiederkehrend kontrollieren. "Solche Regelprüfungen durch die Wohn- und Betreuungsaufsicht gab es in den letzten Jahren jedoch kaum", wird im Bericht bemängelt.
- Beim Verteilen von IT-Ausrüstung an ihre Bediensteten gehen die Senatsressorts offenbar recht freihändig vor. Etwa 14.000 IT-Arbeitsplätze – zum Teil auch im Homeoffice – gibt es in der Bremer Verwaltung. Der Verbleib von gut 3000 Monitoren konnte laut Rechnungshof nicht geklärt werden. Erstaunlich ist aus Sicht von Präsidentin Sokol auch, dass trotz fortschreitender digitaler Datenspeicherung die Zahl der Drucker in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist.
Die Kritik des Rechnungshofs fällt nach Sokols Wahrnehmung in den senatorischen Behörden nicht überall auf fruchtbaren Boden. "Die Zusammenarbeit mit den Ressorts ist unterschiedlich", sagte die Präsidentin. Lob fand sie bei der Vorstellung ihres Berichts für die Sozialbehörde. Dort sei man offen für Empfehlungen "und lässt dann auch Taten folgen". Ganz anders in der Wirtschafts- und der Wissenschaftsbehörde. In diesen Häusern würden beanstandete Sachverhalte in aller Regel erst einmal in Abrede gestellt. "Und dann gibt es auch welche, die sagen: Gesetze sind mir doch egal", so Sokol.
Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) reagierte prompt auf die Kritik an den Ausgaben für "Transformartini". Man nehme die Bewertung ernst, so Schaefer, komme jedoch zu einer anderen Einschätzung. "Mit dem Eventprogramm hat sich mein Ressort einem abgestimmten Senats-Programm zur Wiederbelebung der Innenstadt nach dem Lockdown angeschlossen", erläuterte Schaefer. "Dass davon Teile gerügt werden, halte ich für unglücklich."