Eine Förderschule im Bremer Norden sieht sich gezwungen, zu extremen Mitteln zu greifen: An der Paul-Goldschmidt-Schule in Lesum findet derzeit nur noch an vier Tagen pro Woche Unterricht statt.
Am fünften Tag gibt es eine Notbetreuung für einen Teil der Kinder. Grund dafür ist Personalmangel. Die Schule kann den Betrieb an fünf Tagen mit dem vorhandenen Personal nicht mehr stemmen. Davon berichten übereinstimmend der Zentralelternbeirat und der Personalrat Schulen.
Die Paul-Goldschmidt-Schule ist eine von vier Förderschulen für Kinder mit Beeinträchtigungen in Bremen. Sie wird von Kindern aus der ganzen Stadt besucht, die körperlich so stark eingeschränkt sind, dass sie keine andere Schule besuchen können. Viele an dieser Schule sind schwer- oder mehrfachbehindert. Sie brauchen jemanden, der ihnen Essen anreicht oder sie wickelt, einige müssen während der Schulzeit medizinisch von einer Krankenpflegerin betreut werden. An der Schule gibt es zusätzlich zu den Lehrern Stellen für knapp 50 Assistenzkräfte.
Doch sowohl bei den Lehrkräften als auch bei den Assistenzen fehlt Personal. Deshalb wandten sich mehrere betroffene Eltern an Patrick Hennings-Herrmann vom Elternbeiratsausschuss für Sonderpädagogik. "Das ist gerade für Eltern eine Katastrophe", sagt Hennings-Herrmann. Bereits vor der Bürgerschaftswahl habe er sich an die Behörden gewandt, um auf die Lage der Goldschmidt-Schule hinzuweisen.
Eltern schildern Belastungen
Kirsten Lehbrink ist Elternsprecherin der Schule, ihr Sohn geht dort in die vierte Klasse. "Er hat jetzt immer donnerstags Notbetreuung – er geht in den Notdienst, weil ich berufstätig bin und drei Kinder mit chronischer Erkrankung habe", schildert die Mutter. Sie verdeutlicht: "Unsere Kinder können alle nicht alleine zu Hause bleiben, auch die Zehntklässler nicht.“ Auch Eltern, die nicht berufstätig seien, bräuchten die Zeit, in der das Kind in der Schule ist, um sich nach einer durchwachten Nacht für die Pflege zu erholen oder um die nächsten Arzttermine auszumachen. „Es gibt viele sehr belastete Eltern an dieser Schule." Auch für die Kinder seien feste Abläufe wichtig: "Der Notdienst bringt das ganze System durcheinander."
Die Eltern seien aber im guten Austausch mit der Schulleitung und dem Schulamt. "Wir wissen, dass die kein Personal backen können, alle bemühen sich." Lehbrink appelliert an die Politik: Gebraucht würden einerseits kreative Wege, um Personal zu gewinnen, und andererseits mehr Geld: "Würden Assistenzkräfte besser bezahlt, dann würden auch mehr Leute in diesem Sektor arbeiten."
Bis zu den Herbstferien
Die Vier-Tage-Woche an der Goldschmidt-Schule wurde Ende August eingeführt und soll bis zu den Herbstferien laufen. Das kündigte die Schulleitung den Eltern am 24. August in einem Brief an. Man hoffe, im September und Oktober neues Personal einstellen zu können. Die Schulleitung äußert sich auf Anfrage des WESER-KURIER nicht zur Lage der Schule und verweist an die Behörde.
Derzeit haben verschiedene Klassen an verschiedenen Wochentagen ihren Notbetreuungstag. Das beschreibt Sonderpädagoge Burkhard Gerdes. Er ist Lehrer an der Goldschmidt-Schule und Mitglied im Personalrat Schulen. Es gebe eine Notbetreuung für Kinder von berufstätigen Eltern oder Eltern, die einen Deutschkurs besuchen, so Gerdes. Ihm zufolge hat die Personalnot mehrere Gründe. Mehrere Lehrkräfte seien in Rente gegangen, Schwangerschaften im Kollegium kämen hinzu. Viele Assistenzkräfte seien abgeworben worden oder zu anderen Arbeitgebern gewechselt.
Räume fehlen
Gerdes arbeitet seit 25 Jahren an der Goldschmidt-Schule. Doch vor Kurzem war auch für ihn das Maß voll. Er schilderte in einem Gewerkschaftsmagazin die Notlage seiner Schule. Bereits im vergangenen Schuljahr kam es immer wieder zu Ausfällen und Notbetreuung, das bestätigt auch die Behörde. Nach der Pandemie sei die Zahl der Krankheitsfälle an der Schule gestiegen, so Gerdes. Zugleich fehle es an Räumen: In den für 80 Kinder geplanten Gebäuden würden heute 170 unterrichtet.
Schon zu Beginn des vergangenen Schuljahres sei es an der Goldschmidt-Schule "zu massiven, unvorhersehbaren Personalausfällen" gekommen, heißt es von der Bildungsbehörde. Dies habe insbesondere Pflegefachkräfte betroffen. Eine Personalstrategie sei entwickelt worden. „Wir müssen weiter schnell Personal einstellen und berufsbegleitend ausbilden", sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). "Wir müssen unsere Anforderungen auch weiter öffnen, um Personal zu gewinnen."
Die Schule habe die Möglichkeit bekommen, prioritär Sonderpädagogen und Lehrer sowie Quereinsteiger einzustellen, heißt es von der Behörde. Zudem seien vier ehemalige Freiwilligendienstler beschäftigt worden. Einzelne Lehrkräfte der Schule hätten sich zudem bereit erklärt, ihre Stunden aufzustocken.