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Durch Stundenkürzungen Bremer Schulen fürchten massive Abstriche im Förderbereich

Für Unruhe an den Schulen sorgen die angekündigten Stundenkürzungen ab dem kommenden Schuljahr. Auch wenn die Behörde betont, die reguläre Unterrichtsversorgung bleibe unangetastet.
14.07.2025, 05:00 Uhr
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Bremer Schulen fürchten massive Abstriche im Förderbereich
Von Frank Hethey

Gibt es ein böses Erwachen nach den Sommerferien? An Bremer Schulen geht die Sorge um den Erhalt des Förderunterrichts um. Der Hintergrund: die für das nächste Schuljahr angekündigten Kürzungen von 2430 Lehrerwochenstunden, umgerechnet rund 90 volle Lehrerstellen. Die Bildungsbehörde argumentiert, es handele sich um eine Anpassung auf der Soll-Ebene der Zuweisungsrichtlinie, also der den einzelnen Schulen zugewiesenen Stunden. Für das nächste Schuljahr seien keine Auswirkungen zu befürchten, die individuelle Förderung der Kinder bleibe unangetastet. Doch der Personalrat Schulen und die Schulleitungsvereinigung hegen daran massive Zweifel. "Von einer Anpassung zu reden, ist faktisch falsch", sagt Achim Kaschub, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung. Vielmehr komme die Anpassung einer direkten Kürzung bei den Schwächsten gleich. "Die Unterrichtsversorgung bleibt bestehen, aber es gibt dann keine Förderung mehr."

Worin besteht das Problem?

Bereits im laufenden Schuljahr stellte die Bildungsbehörde nach eigener Angabe fest, dass die Kosten für das unterrichtende Personal den durch die Landeszuweisungsrichtlinie vorgezeichneten Finanzrahmen sprengen werden. Und zwar ganz konkret beim sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen, Sprache, Verhalten (LSV), in den Bereichen Fördern und besondere Aufgaben sowie bei den sogenannten Anrechnungen, mit denen besondere Belastungen kompensiert werden sollen. Das Problem: Durch gezielte Streichungen einzelner, schulspezifischer Zuweisungspositionen habe das Minus nicht ausgeglichen werden können. Oder jedenfalls nicht in der erforderlichen Größenordnung, wie die Bildungsbehörde in ihrer Antwort auf eine FDP-Berichtsbitte mitteilt.

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Wie will die Bildungssenatorin das Problem lösen?

Um dennoch im Finanzrahmen zu bleiben, müssen nach dem Willen von Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) alle Schulen der Stadtgemeinde im kommenden Schuljahr mit weniger Stundenzuweisungen auskommen. Beim regulären Unterricht oder Inklusionsaufgaben darf nicht gekürzt werden. Deshalb drohen Kürzungen an anderer Stelle. Darunter fällt nach Angabe des Personalrats Schulen praktisch der gesamte Förderbereich mit Ausnahme von Angeboten, die auch Unterricht darstellen wie etwa Vorkurse für Migranten. Ebenfalls ein Streichkandidat: der Bereich besondere Aufgaben, dazu zählen unter anderem IT-Koordination oder Stunden für die Berufsorientierung. Weitaus gelassener beurteilt die Bildungsbehörde die Situation. Gegenüber der FDP spricht das Ressort von "etwaige(n) Einschränkungen".

Müssen alle Schulen im gleichen Maße Abstriche machen?

Nein, die festgelegten Stundenkürzungen variieren von Schule zu Schule. Laut Behörde bilden Größe und Sozialindex der einzelnen Schulen die Grundlage für die Anzahl der gekürzten Stunden. Detaillierten Aufschluss darüber gibt eine Liste der Bildungsbehörde, die dem WESER-KURIER vorliegt. Darin wird aufgeschlüsselt, auf wie viele Stunden die einzelnen Schulen künftig verzichten müssen. Beispiel: Die Oberschule Findorff erhält bei 1018 Schülern bislang 2229 Stunden pro Woche zugewiesen. Davon muss die Schule nun 28,8 Stunden einsparen, das ist ein Minus von 1,3 Prozent. Härter trifft es die Schule an der Delmestraße mit ihren 107 Schülern. Von 192 zugewiesenen Stunden fallen 7,6 Stunden weg, ein Minus von vier Prozent. Zwischen 0,6 und vier Prozent der zugewiesenen Stunden fallen an den stadtbremischen Schulen weg. Weil nicht nur einzelne, sondern alle Schulen Abstriche machen müssen, spricht Aulepp von Kürzungen "im Solidarprinzip".

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Wer entscheidet, wo Kürzungen vorgenommen werden, und wie sehen sie konkret aus?

Die Schulen könnten über Einschränkungen selbst entscheiden, teilt das Bildungsressort mit. Dabei vertraut das Ressort darauf, dass die Schulleitungen "kreative und zugleich verantwortungsvolle Lösungen entwickeln". Für Christian Dirbach vom Personalrat Schulen ist das eine Milchmädchenrechnung. Der Grund: Da 85 Prozent aller Stunden auf den Unterricht entfielen und bis zu sieben Prozent auf Leitungsaufgaben, treffe die Kürzungsvorgabe von 2430 Lehrerwochenstunden im Wesentlichen den Förderbereich und die besonderen Aufgaben. Sein Fazit: "Es werden Förderangebote und Doppelbesetzungen entfallen, Entlastungsstunden reduziert und Halbgruppen aufgelöst." Das habe eine Umfrage unter den Schulleitungen zu den Folgen der Stundenkürzungen ergeben.

Wie bewerten Kritiker die Behördenvorgabe?

Von einem "Stich direkt in die Aorta" spricht Schulleitungsvorsitzender Kaschub, er konstatiert ein "Planungsversagen" der Behörde. Kaschub fürchtet, der Stundenwegfall werde manche Schulen viel härter treffen als dargestellt, weil die Lehrkräfte schon jetzt mehr arbeiteten als vorgesehen. "Bei einem großen Innenstadt-Gymnasium bedeuten 30 Stunden weniger de facto 80 Stunden weniger." Bei "tatsächliche(n) Schwierigkeiten im Ist-Bereich" will die Bildungsbehörde zwar gezielt nachsteuern. Bei den Kritikern überwiegt indes die Skepsis. Dass Schulen über Kürzungen selbst entscheiden sollen, wird als Flucht aus der Verantwortung gedeutet. "Der schwarze Peter wird an die Schulleitungen weitergegeben", sagt Dirbach. Die Behörde lasse es zu, dass Schulleitungen und Kollegien in Konflikte gerieten.

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