Rot-Grün-Rot geht in die zweite Runde. Nach 2019 bilden SPD, Grüne und Linke zum zweiten Mal eine gemeinsame Landesregierung. Der neue Senat ist am Donnerstag von der Bürgerschaft gewählt worden, und zwar ohne größere Überraschungen, was die Stimmergebnisse der einzelnen Akteure angeht – sieht mal einmal vom Bürgermeister ab. Andreas Bovenschulte (SPD) erreichte als alter und neuer Präsident des Senats das mit Abstand beste Resultat. Auf den 57-jährigen Sozialdemokraten entfielen 49 Stimmen, dabei verfügt seine Koalition nur über 47 Mandate. Gemutmaßt wurde, dass auch die bei den Grünen ausgeschiedene Bremerhavener Abgeordnete Sülmez Colak für Bovenschulte votiert haben dürfte. Doch zumindest eine weitere Stimme muss der Bürgermeister auch aus den Oppositionsfraktionen von CDU, FDP oder Bündnis Deutschland erhalten haben.
In einem zweiten Durchgang wählte die Bürgerschaft die weiteren Mitglieder der Landesregierung en bloc. Dabei erhielten alle Bewerber die erforderliche Mehrheit. Allerdings konnte keiner von ihnen alle Stimmen der Koalition auf sich vereinigen. Die Ergebnisse im Einzelnen: Ulrich Mäurer (SPD, Inneres), 46 Ja-Stimmen; Sascha Aulepp (SPD, Bildung), 45; Claudia Schilling (SPD, Soziales und Arbeit sowie Justiz), 46; Özlem Ünsal (SPD, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung), 46; Björn Fecker (Grüne, Finanzen), 45; Kathrin Moosdorf (Grüne, Klima, Umwelt und Wissenschaft) 44; Kristina Vogt (Linke, Wirtschaft und Häfen), 46; Claudia Bernhard (Linke, Gesundheit), 46.
Vor der Wahl kam es während einer Rede des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis Deutschland (BD), Jan Timke, zu einem Eklat. Timke setzte sich in seinem Beitrag ausführlich mit der Rolle der Linken in der künftigen Landesregierung auseinander. Er meldete Zweifel an der Verfassungstreue der Linken an und wies darauf hin, dass einzelne Strömungen innerhalb der Partei in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) waren Timkes Ausführung zu den Linken zu weitschweifig. Sie rief den BD-Fraktionschef dazu auf, zum eigentlichen Tagesordnungspunkt zu sprechen, also zur Wahl des Senats. Timke widmete sich jedoch weiter den Linken, wurde daraufhin von Grotheer ein zweites Mal zur Ordnung gerufen und schließlich auch ein drittes Mal, was zur Folge hatte, dass ihm das Wort entzogen wurde. Im Plenarsaal herrschte kurzzeitig regelrechte Schockstarre. Mit einer solchen Eskalation hatte niemand gerechnet.
Redner der Regierungsfraktionen waren zuvor voll des Lobes über den Neustart von Rot-Grün-Rot und über das Personalangebot für den Senat. "Wir werden uns unserer Verantwortung stellen und Bremen und Bremerhaven in eine klimaneutrale Zukunft führen", kündigte SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör an. Im Vordergrund der politischen Arbeit stehe die Transformation der Wirtschaft. Als weitere wichtige Ziele nannte Güngör mehr Wohnraum, den Ausbau von Kita-Betreuung und Nahverkehrs sowie eine attraktive Innenstadt.
Kritik von CDU-Fraktionschef Imhoff
Alle diese Versprechungen habe man 2019 schon in ähnlichem Wortlaut gehört, kritisierte CDU-Fraktionschef Frank Imhoff, nur seien diesen Ankündigungen keine Taten gefolgt. Beispiel Polizei: Vor vier Jahren habe die SPD 2900 Polizeibeamte bis zum Ende der Wahlperiode versprochen. Aktuell seien es gerade 2700. Das halte die SPD aber nicht davon ab, auf die Ankündigungen von 2019 weitere 200 Stellen draufzupacken und 3100 Polizisten bis 2027 zu versprechen. Eine solche Politik sei unseriös. Der Oppositionsführer ließ auch kein gutes Haar an der Berufung dreier zusätzlicher Staatsräte. Die Stellvertreterriege der Senatoren sei unter Rot-Grün-Rot stetig gewachsen. Künftig sind es 18 Staatsräte. Imhoff appellierte an die Koalition, sich ein Beispiel am Saarland zu nehmen. Die dortige Landesregierung komme mit neun Staatssekretären aus.
Aus Sicht der Grünen ist das wichtigste Ziel der nächsten vier Jahre, "die Weichen so zu stellen, dass unsere Kinder die Klimakrise nicht mit voller Wucht trifft", wie es die designierte Fraktionsvorsitzende Henrike Müller ausdrückte. Deshalb müssten Schlüsselbranchen der bremischen Wirtschaft auf dem Weg in die Klimaneutralität unterstützt werden. Sofia Leonidakis (Linke) nahm sich die Christdemokraten vor. Diese hatten vor wenigen Tagen angekündigt, gegen das im Frühjahr beschlossene, 2,5 Milliarden Euro umfassende Klimaprogramm zu klagen. Leonidakis erinnerte die CDU daran, dass sie 2021 die Empfehlungen der Klima-Enquetekommission mitbeschlossen habe. "Das muss man erst mal schaffen, damals alles mitzutragen und jetzt die notwendigen Mittel nicht bereitstellen zu wollen", sagte Leonidakis.
FDP-Fraktionschef Thore Schäck bezeichnete den rot-grün-roten Koalitionsvertrag als "großes Wünsch-dir-was". Auf vielen Themenfeldern seien nur Ideen zusammengeschrieben worden, ohne eine belastbare Finanzierung für die vielen Projekte sicherzustellen.