Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Respekt Coaches Bund streicht Bremer Schulprojekte

Fünf Jahre lang gingen sie in den Schulen aus und ein, auch in Bremen, Bremerhaven und Delmenhorst: Respekt Coaches zur Förderung von Toleranz. Jetzt wird das Programm gestrichen. Was sind die Reaktionen?
23.08.2023, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bund streicht Bremer Schulprojekte
Von Jürgen Hinrichs

Alexander Schumacher hat die Nachricht am letzten Tag der Sommerferien erhalten, schlechter, sagt er, hätte das neue Schuljahr kaum beginnen können: „Wirklich bitter, ein herber Schlag für uns.“ Schumacher ist pädagogischer Leiter der Bremer Oberschule am Waller Ring und hat in den vergangenen fünf Jahren mit den sogenannten Respekt Coaches zusammengearbeitet. „Das war hervorragend“, lobt er das Projekt. Doch nun ist Schluss. Das Bundesfamilienministerium stoppt zum Jahresende die Finanzierung.

Betroffen sind nach Angaben der Organisatoren des Programms mehr als 400 Fachkräfte, die bundesweit an rund 600 Schulen tätig sind. Ziel sei, mit Gruppenangeboten Respekt, Toleranz und das Demokratieverständnis zu fördern. Im vergangenen Jahr seien rund 160.000 junge Menschen erreicht worden. Darunter auch Schülerinnen und Schüler in Bremen, Bremerhaven und Delmenhorst. Dort wird die Arbeit von der Caritas, der Diakonie und der Arbeiterwohlfahrt (Awo) koordiniert.

In der Oberschule am Waller Ring sind es bislang Projekte wie „Demokratische Strukturen erkunden“, „Starke Mädchen“, „Gemeinsam Diversität gestalten“ oder „Traumwelten“. Die Angebote nehmen unterschiedlich viel Zeit in Anspruch und können von einem Tag bis zu zwei Monaten dauern. „Es gibt sie bei uns regelmäßig und häufig“, erklärt Schumacher. Die Schule allein sei damit überfordert, „das können wir nicht leisten“. Einzelne Projekte seien in der Vergangenheit mit Preisen ausgezeichnet worden.

„Dass ausgerechnet dieses renommierte Bundesvorhaben aufgrund fehlender Finanzierung vorzeitig zum Jahresende 2023 auslaufen muss, ist eine gravierende Fehlentscheidung, die zusätzlich die ohnehin im Aufwind befindlichen demokratiefeindlichen Parteien stärkt“, heißt es in einer Mitteilung der Jugendmigrationsdienste, unter deren Dach die Respekt Coaches im Bund organisiert sind.

Das Programm läuft seit 2018 und hat in diesem Jahr ein Volumen von 31 Millionen Euro. Wenn diese Förderung komplett wegfallen soll, trifft es die Jugendmigrationsdienste nach eigener Darstellung mit einer Kürzung ihrer Mittel um zehn Millionen Euro auf dann noch 58,8 Millionen Euro. „Diese Entscheidungen sind politisch und fachlich nicht nachvollziehbar“, erklärt die Einrichtung. Dadurch würden die stabilen Strukturen und die bewährte Integrationsarbeit zerschlagen. Mit der Folge, dass es für viele junge Menschen deutlich weniger Startchancen und gesellschaftliche Teilhabe gebe.

Die Bremer Arbeiterwohlfahrt beschäftigt sechs Respekt Coaches, fünf im Bremer Stadtgebiet, einen in Bremerhaven. „Das sind hoch qualifizierte, junge und engagierte Menschen, die jetzt natürlich total enttäuscht sind“, berichtet Lucyna Bogacki. Sie ist bei der Awo als Fachbereichsleiterin für Migration und Integration zuständig ist und bündelt diese Aufgabe für alle Träger der Freien Wohlfahrtspflege in Bremen. „Wir kämpfen seit Jahren darum, dass unsere Arbeit mit Erwachsenen einigermaßen finanziert ist“, sagt Bogacki. Schwierig genug, meint sie, doch immerhin sei nie am Geld für die Jugendarbeit gerührt worden. Dass es nun anders komme, mache sie sprachlos, „wir sind in Schockstarre“.

Lesen Sie auch

„Das Bundesprogramm Respekt Coaches hat seit 2018 gute Erfolge gezeigt“, teilte das Bundesfamilienministerium am Dienstag auf Anfrage des WESER-KURIER mit. Da die Bundesregierung mit dem neuen Startchancen-Programm aber einen massiven Ausbau der Sozialarbeit an Schulen plane, sei entschieden worden, das Know-how, das mit den Respekt Coaches zur Vermittlung von demokratischen Werten, Respekt und Toleranz sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ausprägungen von Extremismus an Schulen gewonnen wurde, Schritt für Schritt weiter in die Schulen zu verlagern und somit zunehmend in den Kompetenzbereich der Länder zu überführen. „In welcher Form und zu welchem Zeitpunkt dies geschehen kann, wird derzeit zwischen Bund und Ländern ausgelotet“, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums.

So oder so müsse auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend strikte Kürzungsvorgaben befolgen, um der Schuldenbremse und den besonderen Herausforderungen dieser Zeit Rechnung zu tragen, heißt es in der Antwort weiter. Von den Einsparauflagen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts 2024 seien unter anderem auch die Jugendmigrationsdienste und das Bundesprogramm Respekt Coaches betroffen.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)