"Der Klassenzusammenhalt hat in der Pandemie besonders gelitten", stellt Sozialpädagogin Silvia Walter fest. Manche Schüler sind dominant und intolerant, auch Mädchen haben einen schweren Stand. Also hat sie ein Projekt an der Oberschule am Waller Ring aufgelegt, um einen "guten gemeinsamen Umgang" zu finden: Ein externer Trainer macht mit den Jugendlichen Übungen, bringt sie so ins Gespräch. Dann können die Lehrenden das Thema aufgreifen und vertiefen.

Anti-Mobbing-Profi Silvia Walter.
Seit 2018 und damit dem Start des Programms "Respekt-Coaches" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend setzt Silvia Walter es für den Träger Arbeiterwohlfahrt (Awo) an der Waller Halbtagsschule in die Praxis um. "Es zielt darauf ab, das Demokratieverständnis zu stärken und extremistische Einflüsse und menschenfeindliche Haltungen zu verringern", erklärt sie. Reden bringe Respekt, fördere die Toleranz und helfe dabei, Hass und Gewalt einzudämmen.
Bereicherung und Entlastung
Es gebe in Wellenbewegungen immer wieder Vorfälle mit Schülern, die Probleme mit der Akzeptanz demokratischer Strukturen und Unterordnung bei Mehrheitsentscheidungen oder ein schwieriges Frauenbild hätten, berichtet Alexander Schumacher, Mitglied der Schulleitung. "Dafür ist bei einigen auch kein Unrechtsbewusstsein vorhanden." Bei 600 Schülerinnen und Schülern, von denen 80 Prozent in Deutschland geboren sind und in einer Familie mit Migrationshintergrund leben, ist es Schumacher zufolge wichtig, demokratische Handlungsweisen in der Schule zu etablieren. Das ist laut ihm mit eigenen Kapazitäten allein nicht umzusetzen.
Dass der Umgang mit Konflikten von einem Anti-Mobbing-Profi trainiert und ebenso die Projekte extern finanziert werden, sei "reiner Benefit" für die Oberschule, findet der Zup-Leiter. Die engagierte Arbeit von Silvia Walter beurteilt er als "wichtige professionelle Bereicherung und Entspannung für den Schulalltag". "Mit ihr setzen wir Soziales Lernen ab Klasse 5 fort", ergänzt die didaktische Leiterin Stefanie Klattenhoff. Sie sei dankbar für "die Impulse von außen".
Auf Bedarfe reagieren
Um junge Menschen vor Radikalisierung zu schützen, organisiert Silvia Walter bedarfsgerecht Projekte, Veranstaltungen und Fahrten. Sie kann außerdem auf bundesweite Programme zurückgreifen – und so ebenfalls sofort auf beunruhigende Tendenzen reagieren. "Extremistische Einflüsse" sind für die Fachfrau aktuell das Kernproblem. "Ich möchte alle Schülerinnen und Schüler ansprechen", betont die Sozialpädagogin. "Wir machen Primärprävention und stärken das Demokratieverständnis, ehe es zu spät ist."
Die Kinder und Jugendlichen lernen durch das Programm, unterschiedliche Meinungen zu akzeptieren, Position zu beziehen und zu argumentieren. Durch Stärkung ihrer Resilienz würden sie erfahren, dass sie sich anders verhalten könnten, führt Walter aus. Nämlich: Gewaltfrei und gleichberechtigt miteinander umzugehen.
Mitbestimmung und Zusammenarbeit
Die Mitbestimmung der Schüler, enge Zusammenarbeit mit den Sozialarbeitern sowie Schulleitung und Jahrgangsleitungen im Arbeitskreis Anti-Mobbing sind Silvia Walter wichtig. Ebenso die Netzwerkarbeit mit dem Bund, Land und im Quartier. "Damit man weiß, was es überhaupt für Angebote gibt", sagt sie.
Ein Leuchtturmprojekt ist "Opus Einhundert". Das von Silvia Walter mit initiierte Jahrgangskulturprojekt hat sich an der Oberschule verstetigt. "Mit Fünftklässlern erarbeiten wir gerade ein Theaterstück, um Demokratie stärkende Elemente einzuüben: Mitreden, selbstbestimmt entscheiden, Toleranz", berichtet sie. Der pädagogische Ansatz sei, dass die jungen Leute ihre eigene Version eines klassisches Stücks spielen.
Auf Schüleranregung hat die Sozialpädagogin einen Workshop zum Thema Gendern organisiert und als ihr "leise Mädchen" im 7. und 8. Jahrgang auffielen, einen Wen-Do-Kursus. Auch daran, dass sich inzwischen die ganze Schule mit der mehrfach prämierten Werbekampagne "DWDMIU – gegen Hass und für ein Miteinander" des jetzt 10. Jahrgangs identifiziert, hat Silvia Walter großen Anteil.
Erfolgserlebnisse verschaffen sie und Lehrerin Sarah Bemowsky gerade 19 Fünft- und Siebtklässlern in der Garten-AG. Sie haben den 140 Quadratmeter großen, umzäunten "Urwald" beseitigt und einen neuen Schulgarten nach ihren Ideen gestaltet, unter anderem drei Hochbeete für Gemüse und insektenfreundliche Blumen angelegt und unter externer Anleitung Holzbänke gefertigt. In bunten Farben leuchtet an anderer Stelle bereits ein Frühlingsbeet.
"Jeder packt mit an, wird wertgeschätzt", stellt Sarah Bemowsky heraus. "Es ist toll, da ist etwas entstanden, wovon die ganze Schule profitiert", lobt sie das fruchtbare Miteinander. Die Gartenarbeit macht Semih viel Spaß. Wenn er seinen Freunden davon erzähle, so der 13-Jährige, sei die Reaktion: "Ist ja cool".