Der Deutsche Bundestag ist ein Parlament frei gewählter Abgeordneter. Das bedeutet, dass Mandatsträgerinnen und Mandatsträger den Querschnitt der Gesellschaft abbilden sollen. Vom Landwirt bis zur Unternehmerin sind deshalb im Plenum alle Berufsgruppen vertreten. Da Abgeordnete zu sein stets ein Mandat auf Zeit ist, ist es üblich, dass die Gewählten ihrem vorherigen Beruf verbunden bleiben und durchaus Einkünfte daraus beziehen dürfen. Die damit einhergehenden Rechte und Pflichten regeln das Abgeordnetengesetz und die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
Bestandteil dieser Geschäftsordnung sind die Verhaltensregeln, nach denen sich die Abgeordneten zu richten haben. Hier kommt es immer wieder zu Übertretungen, was die Nebeneinkünfte angeht. Denn laut dem Abgeordnetengesetz muss die Ausübung des Mandats „im Mittelpunkt der Abgeordnetentätigkeit“ stehen. Berufliche Tätigkeiten sind also zulässig. Allerdings sollen Einkünfte neben dem Mandat, die auf mögliche Interessenverknüpfungen hinweisen können, von den Abgeordneten selbst der Bundestagsverwaltung angezeigt und auf bundestag.de veröffentlicht werden. Das soll es den Wählerinnen und Wählern ermöglichen, sich selbst ein Bild davon zu machen, wie frei von wirtschaftlichen oder persönlichen Interessen ihr Abgeordneter in Berlin arbeitet.
Die Parlamentarier sind finanziell so ausgestattet, dass sie Nebentätigkeiten im Prinzip nicht nötig hätten. Ihre als Diäten bekannte „Abgeordnetenentschädigung“ beträgt monatlich 10.055,84. Hinzu kommt eine steuerfreie Aufwandspauschale über 4.560,59 Euro, mit der sie Bürokosten, Zweitwohnsitz und die Wahlkreisbetreuung bezahlen. Ab dem 1. Juli werden die Diäten geringfügig gesenkt, da sich ihre Höhe am zuletzt gesunkenen Nominallohnindex orientiert.
Abgeordnetengesetz wird reformiert
Auf bundestag.de kann man nachlesen, aus welchen Berufen die 709 Abgeordneten kommen. 452 von ihnen wechselten aus einem Angestelltenverhältnis ins Parlament, dazu zählen zum Beispiel Beamte und Angestellte, Mitarbeiter von Parteien und Organisationen, Finanz- und Wirtschaftsverbänden. Unter den Selbstständigen fällt der mit 98 hohe Anteil von Rechtsanwälten, Wirtschafts- und Steuerberatern auf. Mit 48 Abgeordneten folgen Vertreter aus Handel, Handwerk und Gewerbe und 26 Personen aus Publizistik und Medien. Im Bundestag sitzen zehn Land- und Forstwirte und gerade einmal vier Menschen ohne Arbeit.
Dass es Abgeordnete gab und gibt, die ihr Mandat als eine Art Türöffner für weitere lukrative Geschäfte verstehen, hat sich zuletzt bei der Masken-Affäre gezeigt. So soll der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, der CSU-Politiker Georg Nüßlein, während der Corona-Krise 660.000 Euro Provision für die Vermittlung von Schutzausrüstung erhalten haben. Der CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel soll eine Viertelmillion Euro für die Vermittlung von Schutzmasken verlangt haben. Und gegen den CDU-Abgeordneten Mark Hauptmann besteht der Vorwurf der Bestechlichkeit. Alle drei haben die Mandate niedergelegt und ihre Partei verlassen. Die Umfragewerte der Union sackten im Zuge der Berichterstattung massiv ab, Politikerinnen und Politiker standen im Ruf, in einer Notlage zuallererst ihren persönlichen Vorteil im Blick zu haben.
Vor dem Hintergrund dieser Vorgänge hat der Bundestag Mitte April eine Reform des Abgeordnetengesetzes auf den Weg gebracht, das für Lobbytätigkeiten und Nebeneinkünfte strengere Regeln vorsieht. Bundestagsabgeordnete müssen bisher Zahlungen aus entgeltlichen Tätigkeiten nicht im Detail veröffentlichen. Auf der Seite des Bundestags werden lediglich sehr grob gefasste zehn Stufen genannt. Sie bilden monatliche Einkünfte zwischen 1001 – Stufe eins – und mehr als 250.000 Euro – Stufe zehn – ab. Mit der Reform des Abgeordnetengesetzes soll sich das ändern. Das Stufensystem wird abgeschafft, die Veröffentlichungsgrenze wird deutlich gesenkt: Alle Einkünfte über 3000 Euro pro Jahr sowie jeder Betrag über 1000 Euro müssen exakt angegeben werden. Einkünfte aus Dividenden und Aktienoptionen müssen veröffentlicht werden, Geldspenden und Rednerhonorare sind nicht mehr erlaubt. Und Unternehmensbeteiligungen sollen künftig bereits ab fünf statt ab 25 Prozent offengelegt werden.
Wer gegen die Anzeigepflicht verstößt, muss mit einer Ermahnung durch den Bundestagspräsidenten rechnen, mit einer namentlichen Nennung in einer Bundesdrucksache, schlimmstenfalls mit einem Ordnungsgeld. Die Internetplattform abgeordnetenwatch.de fordert stattdessen eine unabhängige Prüfinstanz, die von sich aus ermitteln darf, wenn Abgeordnete Nebentätigkeiten nicht korrekt angegeben haben.