Wer andere Menschen mit sexuellen und obszönen Äußerungen oder Gesten belästigt, soll künftig unter anderem mit Gefängnis bestraft werden können. Dies sieht eine Bundesratsinitiative Niedersachsens vor. Dafür soll ein neuer Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Für erhebliche Belästigungen sieht der Gesetzentwurf eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. Ziel sei es, insbesondere Frauen und Mädchen besser vor Angriffen auf ihre sexuelle Selbstbestimmung zu schützten, teilte die Staatskanzlei in Hannover mit. Umgangssprachlich werden solche verbalen sexuellen Belästigungen als "Catcalling" bezeichnet.
Die Bremer Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm hält den Vorstoß für notwendig und betont: "Ich begrüße es, wenn sich das Land Bremen der Initiative Niedersachsens anschließt, da damit eine Gesetzeslücke geschlossen werden kann." Verbale sexuelle Belästigungen seien zum Beispiel nur dann eine Beleidigung und damit eine Straftat, wenn sie mit einer Verletzung der Ehre einhergingen. "In der Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof Aussagen wie 'Ich will dich f*****' jedoch nicht als ehrverletzend angesehen", so Wilhelm. Für Frauen und Mädchen sei dies selbstverständlich eine Verletzung ihrer Würde, sehr belastend, auch angsteinflößend und ekelerregend. Die Betroffenen würden bloßgestellt und erniedrigt. Solche Belästigungen hätten häufig den Effekt, dass öffentliche Räume oder bestimmte Zeiten gemieden würden. Dadurch werde die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder die Freizeitgestaltung eingeschränkt.
Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard (Linke) betont: "Grundsätzlich verurteile ich jede Form sexistischen Verhaltens – ob im privaten oder im öffentlichen Raum. Ich sehe die Notwendigkeit, auf einen gesellschaftlichen Wandel hinzuwirken, der diese Form von Gewalt schlicht und einfach ächtet."
Ob sich Bremen an der Initiative aus Niedersachsen beteiligt, um solche Belästigungen strafbar zu machen, ist noch nicht entschieden: Die Bundesratsinitiative aus Niedersachsen liege dem Justizressort noch nicht vor, erklärt Senatorin Claudia Schilling (SPD). Selbstverständlich sei jegliche Form sexueller Belästigung gesellschaftlich verwerflich. "Ob verbale und nonverbale sexuelle Belästigung sinnvoll als Straftatbestand gefasst werden kann, hängt von der konkreten Formulierung ab – die kennen wir aber noch nicht", sagt Schilling dem WESER-KURIER. "Ob tatsächlich Verhaltensänderungen durch eine solche Gesetzesänderung erwirkt werden könnten – die Beweisbarkeit würde voraussichtlich schwierig sein –, scheint zumindest fraglich."
Sexuell anzügliche Bemerkungen, Kussgeräusche, obszöne Gesten oder Kommentare – "also sexuelle Belästigungen" – seien weder Kavaliersdelikte noch Komplimente; sie seien Machtdemonstrationen, betont Wilhelm. "Ein Verbot macht deutlich: Unsere Gesellschaft akzeptiert ein solches Verhalten nicht. Das ist auch für die Betroffenen wichtig." Sie hätten die Gewissheit, dass sie nicht allein gelassen würden und sich mit einer Anzeige wehren könnten.
Mann in den Niederlanden verurteilt
In den Niederlanden ist sexuelle Belästigung durch verbale Äußerungen und Gesten im öffentlichen Raum seit dem 1. Juli dieses Jahres strafbar. Anfang Oktober folgte eine erste Verurteilung. Der 33-jährige Mann hatte laut Zeugenaussagen in der Rotterdamer Innenstadt eine junge Frau sexuell bedrängt. Zunächst seien Bemerkungen und Zurufe gefallen, dann sei er ihr hinterhergelaufen und habe sie festgehalten. Ordnungskräfte beobachteten Angaben zufolge den Vorfall. Das Gericht verhängte eine Geldstrafe von 280 Euro, davon 180 Euro auf Bewährung.
In Rotterdam soll ein Jahr lang untersucht werden, ob das Gesetz durchzusetzen ist. Ordnungskräfte in Zivilkleidung sind auf den Straßen unterwegs. Sie können Männer direkt nach sexuellen Pöbeleien, anzüglichem Zischen oder Gesten, die als bedrohlich empfunden werden können, festnehmen.