Niemand muss Sorge haben, in einem Notfall, der eine intensivmedizinische Betreuung bedarf, nicht behandelt zu werden, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). „Jeder, der ein Intensivbett braucht, bekommt auch eines. Wir haben freie Betten und dazu eine Reserve.“ Die Lage sei aber angespannt: Dafür sorge die steigende Zahl der Corona-Patienten mit intensivmedizinischem Bedarf, deutschlandweit waren es am Freitag mehr als 4500 Personen. „Ein Nadelöhr ist das Personal“, sagt er. Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle im vergangenen Januar mussten in deutschen Kranhäusern zeitgleich etwa 5.800 Covid-19-Kranke intensivmedizinisch behandelt werden.
Seit Ende März steigt die Zahl der Menschen mit einer Corona-Infektion, die in Bremer Krankenhäusern intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Am Freitagnachmittag meldete das Gesundheitsressort 35 schwerkranke Patienten für Bremen, 13 für Bremerhaven – der Höchststand in Bremen seit Ausbruch der Pandemie war mit 54 am Ostermontag erreicht worden. Insgesamt waren von den laut Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) 189 momentan im Land verfügbaren Intensivbetten 14 frei, sechs davon für eine corona-spezifische Versorgung. Keine freien Intensivbetten mehr hatte laut Divi am Freitag der Landkreis Oldenburg, auch in Delmenhorst, Verden und Rotenburg sind die Kapazitäten knapp.
Insgesamt gibt es in den deutschen Krankenhäusern rund 34.000 Intensivbetten (plus 10.000 in Reserve). Für knapp 24.000 steht Pflegepersonal bereit. Diese Diskrepanz macht auch der Intensivkrankenschwester Marlena Talaska Sorgen. „Dass Intensiv-Betten verfügbar sind, reicht ohne entsprechende Kapazitäten an Pflegepersonal für die Patientenversorgung nicht aus“, sagt sie. Janosch Dahmen, Arzt und Gesundheitsexperte der Grünen im Bundestag, führt den Personalmangel wie andere Experten auf das System der Fallpauschalen zurück. „Die Häuser bekommen Geld, wenn sie Patientinnen und Patienten beispielsweise mit einer Operation behandeln, nicht aber für das Vorhalten von Notfallkapazitäten“, sagt er. Daraus folge eine permanente Überlastung der Beschäftigten, zu schlechte Bezahlung und die mangelnde Attraktivität des Pflegeberufs. Außerdem fehle „eine übergeordnete Strategie der Regierung oder aller Krankenhausträger“.
20 unbesetzte Intensivstellen im Klinikum Mitte
Das kritisiert auch Rolf Dembinski, Leiter der Klinik für Intensivmedizin am Klinikum Bremen-Mitte. „Im Vergleich zum Beginn der Pandemie sind wir jetzt nach einem Jahr weiter, was die medizinischen Geräte angeht“, sagt Dembinski, „aber beim Personal nicht. Und wir kommen ja schon aus einer drastischen Mangelsituation. Die Politik schläft seit mehr als zehn Jahren.“ Auf der Intensivstation an der St.-Jürgen-Straße kümmern sich laut dem Leiter 40 Ärzte, nicht alle davon in Vollzeit, um die Patienten. Beim pflegenden Personal seien von 90 Stellen im Moment 70 besetzt.
Die Kliniken im Verbund der Gesundheit Nord und auch das St.-Joseph-Stift laufen im Moment im Normalmodus. Im Krisenfall würden zusätzliche Pflegerinnen und Pfleger für die Intensiv- von anderen Stationen abgezogen. Außerdem würden nicht dringend notwendige Operationen so lange wie möglich verschoben. „Das Ziel muss es sein, dass wir erst gar nicht in diesen Notfallmodus kommen“, sagt Rolf Dembinski. „Es ist anstrengend und schwierig, aber bislang können wir jeden versorgen.“
Divi-Präsident Gernot Marx warnt vor einer Überlastung der Intensivstationen durch einen ungebremsten Anstieg von Covid-Patienten, der sich mit einer Zeitverzögerung in den Kliniken bemerkbar mache: 25.000 Neuinfektionen pro Tag bedeuteten rund zwei Wochen später rund 350 bis 750 neue Intensivpatienten. „Es brennt. Die Lage ist sehr dramatisch. Jeder Tag zählt“, sagt er. Die Vereinigung fordert deshalb einen strengeren Lockdown. Rolf Dembinski hält verschärfte Maßnahmen dagegen nicht für nötig. „Das wäre nicht effektiver“, sagt er, „aber ich denke, dass er bis zum Sommer dauern muss“.
Was aus Sicht von Intensivmediziner Dembinski wichtig ist – auch, um die Kliniken zu entlasten – sind Impfungen. Dass das Krankenhauspersonal bereits geschützt sei, sei ein Grund dafür, dass die Arbeit auf den Intensivstationen in Bremen im Moment funktioniere. „Wenn man bedenkt, dass neue Mutanten noch aggressiver sein könnten, ist es umso wichtiger, dass möglichst viele mindestens eine Impfung erhalten“, sagt er.