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Energiepreisinflation: Hilfen für Bedürftige Zappenduster soll es gar nicht erst werden

Heizen, waschen, Lebensmittel aufbewahren muss jeder, doch manche Haushalte können sich das kaum noch leisten. Es gibt zwar eine Reihe von Hilfsangeboten, doch Sozialverbände halten sie für unzureichend.
28.10.2021, 21:14 Uhr
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Zappenduster soll es gar nicht erst werden
Von Joerg Helge Wagner

Die drastisch gestiegenen Energiepreise belasten vor allem Bezieher niedriger Einkommen und Erwerbslose. Hilfsangebote gibt es sowohl für Menschen, die Grundsicherung erhalten, als auch für Geringverdiener, die keinen Anspruch darauf haben. Vor allem deren Unterstützung sei aber viel zu gering, beklagen Sozialverbände und Selbsthilfegruppen. Sie, aber auch die Sozialbehörden rechnen mit einem deutlich erhöhten Beratungsbedarf, wenn die Energieversorger ihre Jahresabrechnungen vorlegen.

„Auffällig ist, dass die Nachzahlungen gestiegen sind“, berichtet bereits die Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürger (Agab). „Hier spiegeln sich die höheren Verbrauche durch die Corona-Pandemie und die jetzt schon steigenden Energiepreise wieder“, sagt Sprecherin Lena Kochinke. Wenn Arbeitslosengeld-II-Empfänger die Nachzahlungen nicht mehr aus dem Regelsatz bezahlen können, sollten sie sich in Bremen an das Amt für Soziale Dienste oder das Jobcenter wenden. Es wird dann geprüft, ob die Kosten übernommen werden können. Das passiert nämlich nur, wenn die Betroffenen „wirtschaftlich handeln“, also nicht etwa zum dauergeöffneten Fenster hinausheizen. „Bei exorbitant hohen Rechnungen, die erkennbar aus dem Rahmen fallen, muss sehr intensiv geprüft werden“, betont Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. „Wenn die Kostensteigerungen erkennbar auf die höheren Energiepreise zurückgehen, ist davon auszugehen, dass die Kosten übernommen werden.“ Dazu muss ein Antrag gestellt werden.

Droht wegen Zahlungsrückständen sogar eine Energie- und/oder Wassersperre, gibt es als Unterstützung seit 2015 das Projekt „Zappenduster“. Daran sind neben der Sozialbehörde vor allem die SWB AG (vormals Stadtwerke Bremen) und andere Partner beteiligt: Verbraucherzentrale, Schuldnerberatung, die Agab. Hier gibt es eher Beratung als Geld, doch immerhin lässt sich dadurch die Sperrung des Strom-, Erdgas- oder Wasseranschlusses für maximal vier Wochen aufschieben. Am Ende geht es um die Vereinbarung einer „tragbaren Ratenzahlung“, um die Rückstände abzutragen.

Scheitert dies, gibt es auch noch einen 250.000 Euro schweren Härtefallfonds, aus dem in diesem Jahr etwa 40.000 Euro entnommen werden sollen. Über die einmaligen Zuwendungen entscheiden Sozialbehörde und Verbraucherzentrale gemeinsam. Als Zielgruppe gelten laut Senatsbeschluss vom vorigen November „Personen, die aufgrund hohen Alters und/oder gesundheitlicher Einschränkungen sowie Familien mit mehreren kleinen Kindern oder Alleinerziehende, die besonders von den Auswirkungen einer ,Sperrung’ betroffen sind“. Keine Aussicht auf Leistungen besteht, „wenn wiederholt Schulden beim Energieversorger entstanden sind und keine Verhaltensänderung gezeigt wurde“

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Damit es gar nicht so weit kommt, gibt es Förderprogramme der SWB und des Bauressorts zur Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte – bei der SWB freilich nur für die eigenen Kunden. Dort kann man maximal 100 Euro Zuschuss bekommen, etwa 50 Euro für eine Waschmaschine und weitere 50 für ein Kühl- oder Gefriergerät. Wer Transferleistungen bezieht, kann für die Erstausstattung der Wohnung beim Jobcenter Zuschüsse beantragen: 180 Euro für einen Kühlschrank etwa oder 280 Euro für eine Waschmaschine.

Diese einmaligen Beihilfen, welche die Kommunen selbst festlegen, wurden in Bremen kräftig erhöht: „Für einen E-Herd gibt es jetzt 280 Euro statt 64, für einen Gasherd sogar 350 Euro statt zuvor 115“, sagt Inge ­Gräfe-Heigl, seit 25 Jahren Sozialberaterin bei der Solidarischen Hilfe. „Bremen hat da einiges in die Wege geleitet“, lobt sie. Nun sollte sich die Landesregierung aber auch dafür einsetzen, dass die Stromkosten aus dem Regelbedarf für Bezieher von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) herausgerechnet werden. „Die Regelsatzerhöhung von drei Euro für 2022 deckt die notwendigen Bedarfe nicht im Ansatz“, befürchtet auch Lena Kochinke.

Von Darlehen des Jobcenters, um alte oder kaputte Geräte zu ersetzen, hält die Agab wenig. Denn die monatliche Rückzahlung frisst zehn Prozent des Regelsatzes von 446 Euro für eine volljährige alleinstehende Person auf. „Eine erhebliche Belastung und die Differenz zum tatsächlichen Preis muss noch zusätzlich aufgebracht werden“, warnt Sprecherin Kochinke.

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