Professor Rudolf Hickel ist nicht nur leidenschaftlicher Theater- sondern auch Werder-Fan. Das betonte der Wirtschaftswissenschaftler vom Institut für Arbeit und Wirtschaft noch einmal auf dem siebten und letzten Workshop zum geplanten Werder-Leistungszentrum. Doch gefragt war dieses Mal die ungeschönte Analyse des Wirtschaftsexperten. Denn es standen zwei Tagesordnungspunkte auf der Agenda, die für Konflikt- und Zündstoff sorgten: Die Themen Standortalternativenprüfung und Finanzierung.
Wer kann das Werder-Leistungszentrum bezahlen?
Der millionenfach überschuldete SV Werder kann die Finanzierung eines Leistungszentrums nicht schultern und das Haushaltsnotlageland Bremen auch nicht, so das Fazit von Rudolf Hickel. Lagen die geschätzten Kosten für das Werder-Leistungszentrum 2018 bei der Vorstellung der Konzeptstudie noch zwischen 30 und 35 Millionen Euro, seien es 2019 bereits 57 Millionen gewesen, wie Sylke Draschba, Anwohnerin des Osterdeichs und Mitglied des Begleitgremiums darlegte. Bedingt durch Inflation, Lieferkettenprobleme und der daraus resultierenden Krise in der Baubranche dürfte sich der geplante Bau noch einmal verteuert haben, wie Gabi Otten, eine weitere Anwohnerin vorrechnete. Hickel legte mit einem umfassenden Zahlenwerk akribisch dar, weshalb ein mit Geldern aus Bremen finanziertes Leistungszentrum die Ausgleichszahlung von 400 Millionen Euro gefährden würde. Diese Summe erhält das Haushaltsnotlageland jährlich als Ausgleichszahlung vom Bund. "Der Stabilitätsrat prüft ganz genau die Kriterien. Selbst die Ausgaben für den Klima-Fonds in Höhe von drei Milliarden Euro stehen in der Kontroll-Liste auf Rotlicht", so Hickel.
Wie lautet Hickels Rat?
Wenn die Akzeptanz der breiten Bevölkerung und damit eines Großteils der Steuerzahler für die Finanzierung eines solchen Leistungszentrums nicht gegeben sei, dann rät der Wirtschaftswissenschaftler von einer Realisierung ab. Zwar sei Werder ein Pfund, mit dessen Image die Stadt wuchern könne und das ihr auch Geld einbringe, sagte Hickel. Dennoch wies er auch auf künftige, mögliche Geschäftsrisiken wie das Abstiegsrisiko aus der Ersten Bundesliga hin. Vor einer sogenannten Fan-Anleihe warnte er. Weiteres Problem: Wohl kaum eine Versicherung würde einen Stadionneubau mit 5000 Plätzen in einem Überschwemmungsgebiet versichern, fügte er hinzu. Dem widersprach Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald vehement. Denkbar wäre für Hickel eine dezentrale Lösung für das Leistungszentrum, das heißt eine Splittung des Angebotes mit entsprechender, kostensparender Aufteilung auf einen Alternativstandort. Das aber möchte der SV Werder nicht.
Was sagen die Ortsamtsleiter?
Hellena Harttung, Leiterin des Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt, hatte im Vorfeld des Workshops mit den Ortsamtsleitern der für alternative Standort in Frage kommenden Quartiere gesprochen, von denen einige zur Sitzung erschienen waren. Ulrich Schlüter, Ortsamtsleiter aus Osterholz, zeigte sich nach Rücksprache mit seinen Beiratsmitgliedern äußerst angetan von der Idee, das Leistungszentrum nach Osterholz-Tenever zu holen. "Gerade haben 300 junge Menschen an Sankt Petri Eichen mit Begeisterung Fußball gespielt. Die würden sich freuen, wenn sich Werder in unserem Stadtteil engagieren würde und wenn sie entsprechende Trainingsmöglichkeiten erhielten. Der SV Werder ist auch in anderen Stadtteilen beliebt".
Welche Standortalternativen gibt es darüber hinaus?
Der Architekt Eberhard Dengler, über 25 Jahre als Architekt und Projektentwickler für das Hochbauamt, der heutigen Immobilien Bremen tätig, hat einen ganz anderen Standort ausgeguckt, nämlich den Uni-Campus. "Mit der Neufiguration der vorhandenen Außensportanlagen, ausgenommen die Leichtathletikanlage, ist es möglich, eine Fußballsport-Arena mit circa 5000 Zuschauern zu platzieren", sagte er. Nördlich der vorhandenen Sportanlagen sei eine überbaubare Fläche von jeweils 2500 Quadratmetern Grundfläche möglich. Bei jeweils fünf Geschossen entstünden dort weitere 25.000 Quadratmeter Indoorsport- und Verwaltungsflächen. Dazu kämen noch 12.000 Quadratmeter Indoor-Sportflächen, die laut Gutachten sanierungsfähig seien, sagte Dengler, der in direkter Nachbarschaft wohnt. Allerdings habe die Bürgerschaft schon 2021 deren Abriss beschlossen. Insgesamt ergebe das 37.000 Quadratmeter Sportflächen mit notwendiger Verwaltungs-, Sanitär- und Physiostruktur, rechnete Dengler vor.
Mit dieser städtebaulichen Struktur auf dem Uni-Campus sei das Werder-Leistungszentrum, der Hochschulsport und die Anforderungen des Studienganges Sport dort unterzubringen. Das sei alles eine Frage der Koordination. Zudem sei das gesamte Areal mit Fernwärme erschlossen, das Energiezentrum der Universität circa 500 Meter Luftlinie entfernt. Denglers Pläne stießen auf Widerspruch einer Studentin. Sie sagte, dass der Sport-Campus derzeit von 20.000 Studierenden mit verschiedenen Sportarten bespielt werde. Aber es gibt auch andere Alternativen, die Lars Lemke von der BPW Stadtplanung im ersten Teil des Workshops vorstellte. Wie beispielsweise in der Überseestadt an der Herzogin-Cecilie-Allee, im Tamra-Park in Hemelingen, an der Arberger Heerstraße in der Nähe des AWO-Übergangswohnheimes, bei der Bezirkssportanlage Hemelingen sowie nordöstlich der Gesamtschule Bremen-Ost, auch dort gebe es eine Bezirkssportanlage mit einem öffentlichen Sportplatz.
Was spricht laut Stadtplaner gegen die Standortalternativen?
Lars Lemkes Fazit für alle Alternativen: Flächenmäßig zu klein und generell eine zu schlechte Verkehrsanbindung durch den ÖPNV. Denn die wäre laut Lemke in der Pauliner Marsch am besten. Das wollte Eberhard Dengler zumindest für den Standort nahe der Universität nicht gelten lassen. Der sei per Bus, der Linie 6 und demnächst auch per Bundesbahn verkehrsmäßig gut angebunden. Letztlich, darauf wies Sylke Draschba, Mitglied des Begleitgremiums hin, seien die von Lemke vorgelegten Zahlen "schlichtweg nicht nachvollziehbar". Von den anwesenden Workshopteilnehmern erhielt sie dafür Applaus. Draschba fragt sich, weshalb für einen Alternativstandort der Bau der gleichen 15 Fußballfelder wie in der Pauliner Marsch veranschlagt wird, wenn dort doch schon Anlagen vorhanden seien. Steffen Eilers (Grüne), Sprecher des Beirates Östliche Vorstadt, hinterfragte die Kalkulation von Stadtplaner Lemke, in der er für die bestehende Anlage in der Pauliner Marsch 16,5 Hektar veranschlagt, für einen möglichen Alternativstandort dagegen 33 Prozent mehr, nämlich 24 Hektar. "Haben Sie das als Stadtplaner ermittelt oder ist Ihnen das von Werder vorgegeben worden?" fragte Eilers. Er kritisierte zudem ein Schlechtreden der Alternativ-Standorte.