Keine Fundamentalopposition, aber eine gehörige Portion Skepsis – das ist die Haltung der niedergelassenen Kardiologen auf dem Gelände des Klinikums Links der Weser (LdW) zu einer möglichen Verlagerung des Herzzentrums ans Klinikum Bremen-Mitte (KBM). Die Geschäftsführung des städtischen Krankenhausverbundes Gesundheit Nord (Geno) plant einen solchen Schritt. In einem Brief an den Senat und die Geno-Spitze hatten die Herzmediziner vor einigen Tagen bereits eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Thema angemahnt. Sie warnten davor, schon am 7. Juli im Geno-Aufsichtsrat die Weichen für einen Umzug zu stellen.
Im Gespräch mit dem WESER-KURIER haben sie ihre Bedenken nun konkretisiert. Mehr als 30 Mediziner gehören zu der Praxis. Teils als Anteilseigner, teils als angestellte Ärzte. Gemeinsam mit den beiden Kliniken für Kardiologie und Herzchirurgie bildet die Praxis das drittgrößte Herzzentrum Deutschlands. Es melden sich also wichtige Akteure der kardiologischen Gesundheitswirtschaft zu Wort, die gehört werden wollen, bevor bestehende Strukturen umgekrempelt werden.
Dass die Geno-Spitze ihren Belangen im bisherigen Planungsprozess besondere Beachtung geschenkt hätte, ist nicht der Eindruck der Kardiologen. Zwar gab es für sie vor einigen Tagen eine Führung auf dem KBM-Gelände. Dabei wurde zumindest klar, welches Gebäude für die Großpraxis vorgesehen ist. Doch ob sich an diesem möglichen neuen Standort die räumlichen Beziehungen und kollegialen Abläufe so gut gestalten lassen wie derzeit am LdW, ist aus Sicht der niedergelassenen Kardiologen noch gar nicht zu beurteilen.
Schwerer wiegen für sie indes zwei andere Faktoren. Zum einen die Notfalllogistik. Martin Gödde, der zum Kreis der Eigentümer der Praxis gehört, verweist auf das große Einzugsgebiet des LdW. Es umfasst unter anderem den nördlichen Landkreis Diepholz mit Gemeinden wie Stuhr und Weyhe. Notarztwagen, die Infarktpatienten aus dem südlichen Umland nach Bremen bringen, könnten das LdW gut erreichen. Anders wäre das, sollte das Herzzentrum und letztlich das gesamte LdW auf das Gelände des Klinikums Mitte umziehen. Die Rettungswagen müssten sich dann durch den Stadtverkehr kämpfen und würden dadurch viel Zeit verlieren. Eine bessere Anbindung für das Umland und sogar für Teile des Bremer Stadtgebietes hätte das neue Delmenhorster Klinikum, das gerade unweit der Autobahn-Abfahrt Delmenhorst-Deichhorst entsteht. "Das bedeutet ganz sicher Erlösausfälle für die Geno. Und sie muss sich fragen, ob sie das wirklich will", sagt Martin Gödde.
Noch gravierender ist aus seiner Sicht die drohende Abwanderung von Fachkräften. Laut Gödde wohnt fast die Hälfte der Mitarbeiter der kardiologisch-angiologischen Praxis im Umland, insbesondere die gut ausgebildeten Pflegekräfte. Gödde ist sich sicher, dass ein Teil von ihnen den Umzug nach Mitte nicht mitmachen, sondern sich andere Arbeitgeber suchen würde. "Wenn wir aber auch nur ein Viertel dieser Kräfte verlieren würden, wäre unser Betrieb nicht mehr aufrechtzuerhalten."
Unterm Strich gibt es für Gödde und seine Kollegen aus medizinischer Sicht derzeit kein wirklich überzeugendes Argument für eine Verlagerung des Herzzentrums beziehungsweise des gesamten LdW. Sein Kollege Patrick Koppitz macht auf einen weiteren Umstand aufmerksam, der insbesondere die Anwohner des KBM aufmerken lassen dürfte. Dort landet der Rettungshubschrauber jährlich bisher ungefähr 300 bis 400 mal. Deutlich mehr sind es am LdW, nämlich rund 1600. All diese lautstarken Notfalltransporte müssten bei einer Fusion von KBM und LdW künftig am Standort Mitte abgewickelt werden.