Konflikte gibt es in jedem Regierungsbündnis, doch in der Regel gelingt es den Koalitionsmanagern, sie zu entschärfen, bevor sie sich öffentlich entladen. Beim Thema Horner Spitze gelingt dies Rot-Grün-Rot gerade nicht. In der Bürgerschaft gerieten SPD und Grüne am Montag heftig aneinander. Die Grünen wichen kein Jota von ihrem Nein gegen eine Gewerbeansiedlung auf den 6,2 Hektar südlich des Technologieparks ab. Die Sozialdemokraten warfen ihnen deshalb vor, ein Schlüsselprojekt für den Wirtschaftsstandort Bremen zu blockieren.
Aufgestaut hatte sich der Ärger bereits seit Wochen. Die Wirtschaftsbehörde verfolgt den Plan, das Areal als Ergänzung des Technologieparks zu entwickeln. Südlich der Bahnlinie sollen auf einer teilweise bewaldeten Fläche vorzugsweise High-Tech-Betriebe angesiedelt werden, die im nördlich angrenzenden Technologiepark keine Grundstücke mehr finden oder die dort bereits ansässig sind und sich erweitern wollen. Im 2023 von der Bürgerschaft beschlossenen Gewerbeentwicklungsprogramm (GEP) ist die Horner Spitze als ein solches Areal gekennzeichnet. Auch der rot-grün-rote Koalitionsvertrag enthält ein Bekenntnis zu dem Gewerbeareal für forschungsnahe Unternehmen.
"Frischluftschneise" als Argument gegen Bebauung
Ein Herzensprojekt war die Erschließung und Bebauung für die Grünen nie. Doch erst Ende März legten sie sich per Fraktionsbeschluss richtig quer. Ihr Umweltpolitiker Ralph Saxe begründete die Kurskorrektur am Montag in der Bürgerschaftsdebatte mit der Bedeutung der Horner Spitze als "Frischluftschneise". Laut Koalitionsvertrag dürften solche Gebiete nicht zugebaut werden. Er warb auch für die Interessen des Vereins "Kinder, Wald und Wiese", der dort vor allem Pferdefreizeiten anbietet und mit einer Umsiedlung auf den alten Campingplatz am Stadtwaldsee nicht einverstanden ist. Für Saxe stand fest: Die vorliegende Machbarkeitsstudie bedeute keinen "Automatismus" für eine Bebauung der Horner Spitze.
Dem SPD-Wirtschaftspolitiker Volker Stahmann schwoll da der Kamm. Es sei nicht das erste Mal, dass die Grünen eine Wende vollziehen, wenn man sich eigentlich bereits verständigt habe. Beim Gewerbegebiet Hansalinie sei das ganz ähnlich gewesen. In der Koalition habe man sich seinerzeit auf die Ausbaustufen eins bis vier geeinigt. Dann sei der Umweltverband BUND auf den Plan getreten, woraufhin die Grünen von bereits gefundenen Kompromissen abgerückt seien. Dieser "Umgang in der Koalition" sei ein Problem. Er stelle die Handlungsfähigkeit des Regierungsbündnisses infrage.
Nachverdichtung oder Bebauung der Grünflächen?
Der Linken-Wirtschaftspolitiker Klaus-Rainer Rupp stellte sich im Grundsatz hinter die Gewerbegebietspläne – allerdings längst nicht so eindeutig, wie man es nach den öffentlichen Attacken seiner Parteifreundin und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt auf die Grünen hätte erwarten dürfen. Rupp wies darauf hin, dass das Gewerbeentwicklungsprogramm eher auf Nachverdichtung in vorhandenen Gewerbegebieten setze als auf Erschließung intakter Grünflächen. Rupp sagte, er vertraue auf den Prüfungs- und Abstimmungsprozess, der jetzt auf der Grundlage der Machbarkeitsstudie anlaufe.
Die Opposition weidete sich am öffentlich ausgetragenen Streit der Koalitionspartner. Der Technologiepark an der Uni sei eine der größten Bremer Erfolgsgeschichten der vergangenen Jahrzehnte und die Horner Spitze biete eine Gelegenheit, sie fortzuschreiben, sagte die CDU-Wirtschaftspolitikerin Susanne Grobien. Doch wieder einmal zeige sich Rot-Grün-Rot nicht in der Lage, die vorhandenen Potenziale auszuschöpfen. FDP-Fraktionschef Thore Schäck riet SPD und Grünen scherzhaft zu einer "Paarberatung". Die Regierungspartner versagten komplett bei der Kompromissfindung. Für Bündnis Deutschland kritisierte Sven Schellenberg die verhärtete Position der Grünen. Es sei doch die Frage, warum sie ihre grundsätzliche Kritik an der Horner Spitze nicht schon während der Beratungen über das GEP vorgebracht hätten. Wirtschaftsstaatsrat Kai Stührenberg bekannte sich klar zu dem Projekt. Die Horner Spitze als Kaltluftschneise zu erhalten, stehe nicht im Widerspruch zur geplanten Bebauung. Dafür ließen sich architektonische Lösungen finden, zeigte sich Stührenberg überzeugt.