Herr Güngör, die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat Sie am Montag erneut zum Vorsitzenden gewählt. Was lässt sich aus den verbleibenden zwei Jahren der Legislaturperiode noch herausholen?
Mustafa Güngör: Priorität hat für uns, den Wohlstand zu sichern, das heißt, Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Dazu gehört es auch, Menschen für zukunftsfähige Arbeitsplätze zu qualifizieren. Das sind für mich die zentralen Themen. Eine funktionierende Wirtschaft schafft Einnahmen für unser Land, und das wiederum ist Voraussetzung dafür, dass wir in Bildung, Wissenschaft und in den sozialen Zusammenhalt investieren können. Das ist aus meiner Sicht der Markenkern der Sozialdemokratie, und in diesem Sinne wollen wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion Motor der Koalition sein.
Als Motor sorgen Sie für Antrieb. Aber gelenkt wird im Rathaus, oder?
Am Ende werden wir draußen alle als eine SPD wahrgenommen. Nach innen gibt es immer mal Diskussionen, das liegt in der Natur der Sache. Aber den Weg, den wir gehen wollen, bestimmen wir gemeinsam.
Eine aktuelle Umfrage sieht die SPD in Bremen gerade bei 25 Prozent. Das entspricht ungefähr dem Tiefpunkt, der 2019 unter Bürgermeister Carsten Sieling erreicht war. Sind Sie vielleicht ein wenig vom richtigen Weg abgekommen?
Der aktuelle Wert ist sicher auch im Lichte der Bundesentwicklung zu sehen. Und wir sind mit über zehn Prozent über dem Bundesdurchschnitt hier nach wie vor stärkste Kraft. Aber 25 Prozent stellen uns auf keinen Fall zufrieden, das ist völlig klar. Wir verstehen uns als die Bremen-Partei – und wir müssen an Vertrauen gewinnen.

Mustafa Güngör ist als Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion bestätigt worden.
Nun rumpelt es gerade wieder in der rot-grün-roten Koalition. Die Grünen haben sich von der Nutzung der Horner Spitze als künftigem Gewerbestandort verabschiedet. Die Ansage lautet klipp und klar: Das kommt für uns nicht mehr infrage. Hat sich das Projekt damit erledigt?
Nein, es hat sich natürlich nicht erledigt. Im Koalitionsvertrag ist ein Verfahren zum Umgang mit diesem Thema festgelegt. Es liegt jetzt eine Machbarkeitsstudie vor, die gemeinsam bewertet werden soll. Selbstverständlich halten wir an diesem Weg fest.
Ein Kompromiss ist aber kaum vorstellbar. Entweder man macht aus der Horner Spitze ein Gewerbegebiet oder nicht. Es kann da keinen Mittelweg geben.
Politik besteht auch nicht unbedingt darin, einen Mittelweg zu finden. Gefragt ist der Blick aufs Ganze: Was hilft Bremen und Bremerhaven? Wir brauchen Arbeitsplätze und Ansiedlungsflächen für Unternehmen. Deshalb hat es mich schon sehr gewundert, wie sich die Grünen da plötzlich positioniert haben. Ich kann nur dazu aufrufen, dass wir uns alle an den im Koalitionsvertrag vereinbarten Weg halten.
Wird es an der Horner Spitze über kurz oder lang ein Gewerbegebiet geben?
Die Machbarkeitsstudie ist da sehr eindeutig. Wenn Firmen wie OHB oder andere Unternehmen sagen: Wir würden uns dort gern erweitern oder neu ansiedeln, dann ist das in jedem Fall eine wichtige Fläche.
Sie waren immer ein Kritiker der Schuldenbremse. Nun ist zwischen CDU und SPD auf Bundesebene ein großes Investitionspaket mit Länderanteil vereinbart worden, zusätzlich wird es Verschuldungsspielräume für die Länder geben. Wie soll dieses Geld verwendet werden?
Erst einmal ist es gut, dass die Weichen in Berlin jetzt richtig gestellt worden sind. Wir haben eine veraltete Infrastruktur in Deutschland. Das behindert unter anderem unseren sehr innovativen Mittelstand. Es gibt viel zu tun – angefangen bei den Brücken und Straßen über den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bis hin zu Schulen, Kitas und dem Wissenschaftssektor. Unsere hervorragende Hochschullandschaft ist eine virtuelle Brücke in die Zukunft, gerade für die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven.