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Kostenanstieg in der Pflege Bremer Pflegeheimbewohner zahlen Millionen für Investitionskosten

Bremer Pflegeheimbewohner tragen eine immense finanzielle Last: Über drei Millionen Euro monatlich für Investitionskosten. Doch wie transparent ist diese Berechnung und wer sollte eigentlich dafür aufkommen?
08.02.2024, 05:00 Uhr
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Bremer Pflegeheimbewohner zahlen Millionen für Investitionskosten
Von Timo Thalmann

Über drei Millionen Euro im Monat, um die 40 Millionen im Jahr: So viel zahlen die Bewohner der Bremer Pflegeheime gemeinsam derzeit allein für die sogenannten Investitionskosten. Der etwas verwirrende Begriff findet sich auf den Abrechnungen jedes Pflegeheims und beträgt in Bremen im Schnitt 566 Euro pro Monat und Bewohner. Bundesweit liegt dieser Wert bei 485 Euro. Finanziert werden damit die Kosten für Bau, Kauf oder Miete sowie Instandhaltung der Immobilie, in der sich die Pflegeeinrichtung befindet. Am ehesten entspricht dieser Betrag der Kaltmiete für eine Wohnung. Die Investitionskosten sind zu 100 Prozent von den Heimbewohnern zu bezahlen. 

Wie haben sich diese Investitionskosten in Bremen entwickelt?

Die Investitionskosten waren lange recht stabil und betrugen etwa im Januar 2018 im Bremer Durchschnitt 525 Euro im Monat. Bis Juli 2023 waren sie nur geringfügig auf 538 Euro gestiegen. Erst in den zurückliegenden sechs Monaten sind sie inflationsbedingt etwas stärker gestiegen. Sie haben  allerdings eine relativ hohe Spannbreite. Das günstigste Haus in Bremen stellt dafür nach den Zahlen des Verbandes der Ersatzkassen in Deutschland (VDEK) 289,90 Euro in Rechnung, die teuerste Einrichtung verlangt 777,23 Euro. Zugleich markiert der Durchschnitt auch den statistischen Median. Das heißt, rund die Hälfte der Einrichtungen liegt bei den Kosten darüber, die andere Hälfte darunter.

Wie werden die Investitionskosten für die einzelnen Pflegeeinrichtungen berechnet?

Hinter verschlossen Türen. Sie sind zwar Teil der Pflegesatzverhandlungen, sodass die Betreiber ihre Kalkulation gegenüber Pflegekassen und Sozialhilfeträgern darlegen müssen, gegenüber den zahlenden Bewohnern brauchen sie das aber nicht. Diese Rahmenbedingung nährt zugleich den Verdacht, dass die Investitionskosten weniger genau verhandelt werden als etwa die eigentlichen Pflegekosten. Denn die Pflegekassen müssen sie gar nicht bezahlen, die Sozialhilfeträger wiederum deckeln bei den Bewohnern, die von ihnen Hilfe zur Pflege erhalten, den Beitrag häufig mit einer Höchstgrenze. In Bremen beträgt sie 475 Euro, berechnet aus 9,50 Euro je Quadratmeter bei höchsten 50 Quadratmetern Wohnanteil je Bewohner. Darin sind auch Gemeinschaftsbereiche wie Aufenthalts- und Speiseräume bis zu den indirekt genutzten Flächen wie Küchen, Vorrats- und Personalräume enthalten. Ob eine Einrichtung höhere Kosten geltend macht, spielt für das Sozialressort dabei keine Rolle. Von 68 stationären Pflegeeinrichtungen in Bremen verlangen nur 14 weniger als 475 Euro. Unter Umständen stellt der Heimbetreiber darum den Selbstzahlern noch einmal erhöhte Sätze in Rechnung, um die Deckelung auszugleichen. Ob das tatsächlich so ist, ist aber nicht transparent. 

In jeder anderen Branche sind die notwendigen Immobilien Teil der Gesamtkalkulation, wieso werden sie in der Pflege als Investitionskosten extra berechnet?

Tatsächlich sollten nicht die Pflegebedürftigen, sondern die Bundesländer diese Kosten tragen. So war es politisch vereinbart, als die Pflegeversicherung in den 1990er-Jahren eingeführt wurde. Sie sollte den Ländern seinerzeit große Teile der Sozialhilfekosten für die Pflege abnehmen. Daher die gesonderte Berechnung. In der Praxis haben sich die Länder nach und nach von dieser Zusage verabschiedet, so auch Bremen. Nach der jüngsten Erhebung von 2019 fördert das Land nur noch Kurzzeit- und teilstationäre Pflegeplätze mit rund 2,4 Millionen Euro pro Jahr.

Gibt es politische Initiativen, die Investitionskosten anders zu verteilen?

Angesichts der insgesamt stark steigenden Eigenanteile erinnert der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Rainer Bensch derzeit das Land an seine Verpflichtung. „Wir brauchen dringend eine Höchstgrenze beim Eigenanteil, zum Beispiel indem die Investitionskosten übernommen werden“, fordert er. In einer der kommenden Fragestunden der Bürgerschaft will die CDU konkret wissen, ob dies in Aussicht steht und welche Maßnahmen der Senat zur Entlastung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen verfolgt. Eigentlich sollte er damit offene Türen bei den Regierungsparteien einrennen, denn im Koalitionsvertrag findet sich der Passus, das Land werde „eine bedarfsabhängige Entlastung der Pflegeheimbewohner bei den Investitionskosten in Angriff nehmen“. Ob dies angesichts der schwierigen Haushaltslage realistisch ist, muss sich zeigen. „Deswegen fragen wir ja erst einmal“, sagt Bensch. Er könne sich weitere Anträge im Parlament mit konkreten Forderungen zu dem Thema vorstellen, abhängig von den Antworten, die der Senat demnächst dazu gibt.

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