Tiefe Einschnitte in die Kinder- und offene Jugendarbeit kündigt Sara Dahnken an. Aus Sicht der Leiterin der Jugendförderung beim Roten Kreuz haben es Sozialressort und Politik auch in der jüngsten Sondersitzung der Sozialdeputation am Dienstag nicht geschafft, tragfähige Lösungen für die Zeit nach dem ersten Januar zu beschließen. Dann beginnt die sogenannte haushaltslose Zeit. Die Träger zahlreicher Angebote wie eben die Wohlfahrtsverbände Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt und Diakonie müssen mindestens übergangsweise mit weniger Zuwendungen auskommen. „Das gefährdet die bestehenden Strukturen und Angebote aber langfristig“, sagt Dahnken und mit ihr alle übrigen Vertreter der Träger.
Das Kernproblem: So lange noch kein neuer Haushalt existiert, können nur die bislang geltenden Budgets aus diesem Jahr fortgeschrieben werden. Aus Trägersicht eine "kalte Kürzung", weil Energiekosten, Gehälter und Honorare der freien Mitarbeiter zum Teil um mehr als 20 Prozent gestiegen seien. Dazu kommt: Das Budget umfasst aus haushaltstechnischen Gründen 95 Prozent der Vorjahressumme. "Wo wir mehr Mittel brauchen und fordern, erleben wir faktisch eine Kürzung", sagt Larissa Krümpfer, die bei der Arbeiterwohlfahrt den Fachbereich Jugend leitet.
Entlassungen von Mitarbeitern denkbar
In einem internen Schreiben haben mehrere Träger bremenweit die aktuellen Folgen zusammengetragen. Darin ist von „Stundenreduzierungen, Entlassung von Unterstützungskräften, Personalentlassungen und Reduzierung der Programmmittel“ die Rede. „In einigen Stadtteilen sind die Budgetlagen so eng, dass ganze Einrichtungsschließungen oder Angebotsreduzierungen drohen“, heißt es weiter. Konkret von einer kompletten Schließung betroffen wäre demnach etwa das Freizi Neustadt.
Das Papier enthält zudem eine lange Liste weiterer Einrichtungen, bei denen ab Januar mutmaßlich reduzierte Öffnungszeiten und weniger Angebote zu erwarten sind, darunter unter anderem der Kinderbauernhof Tenever, die Jugendhäuser Horn, Hemelingen und Vegesack sowie der Sportgarten in der Pauliner Marsch. „Wir können den Mitarbeitern Stand 5. Dezember noch nicht sagen, ob sie ab 1. Januar 2024 in ihren derzeitigen Jugendeinrichtungen weiterarbeiten“, lautet der Befund. Sind die Pädagogen aber bei kleineren Trägern mangels Alternativen erst einmal entlassen oder bei größeren Trägern an anderer Stelle eingesetzt, lassen sich die weggefallenen Angebote nicht einfach wieder neu starten, selbst wenn der reguläre Haushalt später genügend Mittel bereitstellen sollte.
Wohlfahrtsverbände zeigen sich enttäuscht
Was die Träger besonders enttäuscht: Nach ihrer Ansicht gibt es eine gangbare Übergangslösung. Sie hatten vorgeschlagen, die für Instandsetzungen und Renovierungen vorgesehenen Mittel von 500.000 Euro umzuwidmen, um ab Januar die laufende Arbeit aufrechtzuerhalten. So hatte es auch der Jugendhilfeausschuss Anfang November beschlossen, doch das Sozialressort hatte fachliche und rechtliche Bedenken angemeldet. Eine von der Sozialdeputation Ende November beschlossene nochmalige Prüfung der Machbarkeit sei in der Kürze der Zeit nicht detailliert möglich, hieß es nun in der Sitzung am Dienstag. Immerhin diese Einlassung gab es: Die vorgeschlagene Umwidmung würde an dem während der haushaltslosen Zeit verfügbaren Gesamtvolumen nichts ändern, würde also prinzipiell nicht gegen das Haushaltsrecht verstoßen. Doch vor Klärung der Details erfolgt kein entsprechender Beschluss der Sozialdeputation.
Für Dahnken eine weitere Enttäuschung. Sie weist darauf hin, dass der Vorschlag erstmals am 16. Oktober im Jugendhilfeausschuss diskutiert wurde. Schnell habe sich eine Mehrheit dafür abgezeichnet. „Jetzt zu sagen, eine mögliche Realisierung könne man in der Kürze der Zeit nicht detailliert prüfen, weil man erst Ende November ernsthaft damit begonnen hat, ist schon ein starkes Stück.“ Es entstehe der Eindruck, das Sozialressort wolle schlicht nicht.
Die politische Diskussion zu dem Thema in der Sozialdeputation verlief ebenfalls eher angespannt. Sofia Leonidakis (Linke) geriet emotional mit Sandra Ahrens (CDU) aneinander, als diese der Linkspartei vorwarf, als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet zu sein, wenn sie sich „stets vollmundig“ auf die Seite der Träger, Jugendeinrichtungen und Jugendlichen stelle, aber dann die Finanzierung nicht beschließe. Leonidakis attestierte der CDU-Frau daraufhin eine hohe Scheinheiligkeit. „Sie beklagen hier lauthals die ungenügende Ausstattung der offenen Jugendarbeit, sind aber bei den Haushaltsberatungen stets die Ersten, die Kürzungen bei den Sozialausgaben fordern.“