Der Krankenstand beim Betreuungs- und Erziehungspersonal in Kindertagesstätten ist besorgniserregend hoch. Ende vergangenen Jahres hatten die Bremer Kita-Beschäftigten durchschnittlich 33,4 Fehltage angehäuft. Besonders auffällig ist die Ausfallrate beim städtischen Träger Kita Bremen, dem mit 90 Einrichtungen größten Anbieter von Betreuungsplätzen. 2023 war dort jeder Arbeitnehmer im Schnitt 48,4 Tage krank, nach Arbeitstagen also mehr als zwei Monate. Bei den freien Trägern der Kindertagesbetreuung wie etwa der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) ist die Lage noch nicht so zugespitzt. Doch auch dort setzt der gewandelte Arbeitsalltag den Erzieherinnen physisch und psychisch zu.
Die Zahlen für Kita Bremen entstammen einer Senatsantwort auf eine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Die Liberalen wollten wissen, wie sich die Fehlzeiten bei den Beschäftigten in den Betreuungseinrichtungen entwickelt haben. Sie bezogen sich dabei auf die im August veröffentlichte Studie „Krankenstand in Berufen der Kinderbetreuung und -erziehung“ der Bertelsmann-Stiftung. Das Papier setzt sich mit dem Spannungsverhältnis von Fachkräftemangel und steigenden Kinderzahlen auseinander. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Zahl der pädagogischen Mitarbeiter in Kitas zwischen 2013 und 2022 deutschlandweit zwar von knapp 500.000 auf mehr als 720.000 angestiegen ist. Zugleich lasse sich jedoch erkennen, "dass im Jahr 2022 62 % der Krippengruppen und 54 % der Kindergartengruppen einen Personalschlüssel aufweisen, der deutlich ungünstiger ist als empfohlen". Mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen lasse sich "der gesetzlich verankerte Förderauftrag" nicht erfüllen. Den Aufgaben kaum gerecht werden zu können, bleibe für das Erziehungspersonal in den Kitas gesundheitlich nicht ohne Folgen, heißt es in der Studie. In der Forschung bestehe Konsens darüber, "dass eine permanent überhöhte Arbeitsbelastung sowohl physische als auch mentale Auswirkungen bei den Beschäftigten nach sich ziehen kann".
"Belastende Rahmenbedingungen"
In den Einrichtungen von Kita Bremen äußert sich das in hohen Ausfallzeiten. Zwischen 2018 und 2023 ist die Zahl der Krankheitstage von im Schnitt 37,7 auf 48,4 pro Jahr gestiegen. Typische Erkrankungen pädagogischer Mitarbeiter sind nach Darstellung der Geschäftsleitung Infektionen im Winterhalbjahr, darüber hinaus Probleme im Bewegungsapparat, hervorgerufen "durch schweres Tragen und Heben von Kindern und Arbeiten in ergonomisch ungünstigen Positionen". Auch psychische Probleme – ausgelöst durch "belastende Rahmenbedingungen" – führten zu Krankschreibungen. Als Arbeitgeber steuere Kita Bremen mit Präventionsangeboten gegen. Beispielsweise durch Angebote zur psychischen Gesundheitsförderung und Teambuilding in den Einrichtungen.
Auch in den Kitas der Bremischen Evangelischen Kirche ist man sich der wachsenden Belastung der Mitarbeiter bewusst. Carsten Schlepper verantwortet diesen Bereich bei der BEK mit zurzeit 65 Tagesstätten. Das Problem besteht aus seiner Sicht nicht nur in der rein zahlenmäßigen Kluft zwischen tatsächlicher und wünschenswerter Personalausstattung in der Betreuungsarbeit. "Die Kindheit ist heute eine andere", sagt Schlepper. Die Kinder seien durch ihre Eltern weniger als früher darauf vorbereitet, sich in Gruppen einzufügen, einfach mal zehn Minuten ruhig am Tisch oder im Stuhlkreis zu sitzen. Unter solchen Umständen den Kita-Alltag überhaupt am Laufen zu halten, binde einen großen Teil der Arbeitskraft der Erzieherinnen. "Die pädagogische Arbeit bleibt dabei nicht selten auf der Strecke", weiß Carsten Schlepper. Das führe zu Unzufriedenheit und steigere die Anfälligkeit für Depressionen. Schlepper: "Manche Mitarbeiter fallen längerfristig aus."
Gleichwohl scheint das Problem bei den kirchlichen und freien Trägern nicht so ausgeprägt zu sein wie bei Kita Bremen. Carsten Schlepper verfügt zwar über keine entsprechende Statistik, schätzt die durchschnittliche Ausfallzeit beim Kita-Personal der BEK aber auf etwa 30 Tage pro Jahr. Die Awo meldet für das vergangene Jahr einen Schnitt von 32,6 Fehltagen pro Mitarbeiter. Auch dieser Kita-Träger bietet dem Personal in den Einrichtungen gesundheitsfördernde Maßnahmen und Beratungen an.
Warum sich die Beschäftigten von Kita Bremen deutlich öfter krankmelden als ihre Kollegen bei anderen Arbeitgebern, bleibt letztlich offen. An den Standorten der Einrichtungen kann es kaum liegen – auch die freien Träger sind mit ihren Häusern in sozial schwierigen Quartieren präsent. Mit dem trägerübergreifenden Schnitt von 33,4 Fehltagen weist Bremen für Kita-Beschäftigte im Bundesländervergleich den vierthöchsten Wert auf. Das sind rund 50 Prozent mehr als im Mittel aller Berufsgruppen, wie aus einer Statistik der Krankenversicherung DAK für 2023 hervorgeht.