Bremen braucht Klimaschutz. Es liegt im ureigenen Interesse eines küstennahen Stadtstaates, dass sich die Erderwärmung nicht weiter beschleunigt. Das leuchtet unmittelbar ein und ist nicht weiter erklärungsbedürftig. Was Senat und Bürgerschaft in ihrem Einflussbereich zur Eindämmung des Klimawandels beitragen können, sollten sie auch tun.
Sich diesem Leitgedanken im alltäglichen politischen Handeln verpflichtet zu fühlen, reicht im rot-grün-rot regierten Bremen aber natürlich nicht. Man setzt sich extrem ehrgeizige Ziele und hält sich nicht lange mit der Frage auf, ob sie auch realistisch sind. Während etwa die Europäische Union ihre Klimaneutralität für 2050 anstrebt und der Bund für 2045, hat die Hansestadt das Jahr 2038 als Zielmarke proklamiert. Man möchte mit leuchtendem Beispiel vorangehen. Vor zwei Jahren wurde deshalb das bremische Klimaschutz- und Energiegesetz überarbeitet. Vorgeschrieben ist nun eine detaillierte Überwachung der Entwicklung des Treibhausgasausstoßes. Hinzu kommen weit gefasste Berichtspflichten, die mehrfach im Jahr zu erfüllen sind.
Wie komplex dieses sogenannte Monitoring ist, war bis vor Kurzem wohl nur einem kleinen Kreis von Fachpolitikern klar. Die Standards sehen eine umfangreiche Datenerfassung vor – untergliedert nach Bereichen wie Verkehr, private Haushalte, verarbeitendes Gewerbe, normales Gewerbe. Es werden Primärenergie-, Umwandlungs- und Endenergiebilanzen angelegt, Verrechnungen von Energieträgern angestellt und Bereinigungen vorgenommen, damit statistische Anomalien das Ergebnis nur ja nicht verfälschen. Am Ende soll sich auch noch ein Sachverständigenrat über die so entstandenen Zahlenkolonnen beugen. Das Statistische Landesamt veranschlagt allein sechs Planstellen, um in kurzen Abständen solche Datensammlungen von maximaler Detailtiefe zu erstellen.
Was fällt hier auf? Es gibt ein geradezu irrwitziges Gefälle zwischen dem Aufwand, der künftig bei der Analyse des Istzustandes betrieben wird, und den realen Einwirkungsmöglichkeiten durch die Bremer Landespolitik. Denn was kann der Senat denn bitte schön tun, falls die Datenblätter in den kommenden Jahren signalisieren, dass die Etappenziele beim CO2-Ausstoß verfehlt werden? Soll er Gewerbetriebe stilllegen, soll er Fahrverbote verhängen, soll er den Privathaushalten vorschreiben, die Heizung im Winter auf 18 Grad zu drosseln? Solche Eingriffe stehen gar nicht in seiner Macht. In Wahrheit ist der klimapolitische Instrumentenkasten auf Landes- und kommunaler Ebene ausgesprochen klein. Jedenfalls was unmittelbar wirksame Steuerungsmaßnahmen betrifft.
Alternativ könnte man Geld in die Hand nehmen, um beispielsweise im großen Stil energetische Gebäudesanierungen zu bezuschussen, den öffentlichen Nahverkehr deutlich attraktiver zu machen und das Nah- und Fernwärmenetz großflächig auszubauen. Aber auch hier hatten die ursprünglichen Vorstellungen von Rot-Grün-Rot wenig mit der Realität zu tun. War zunächst ein schuldenfinanziertes Klimapaket von fünf Milliarden Euro im Gespräch, so beschloss die Bürgerschaft im Frühjahr 2023 eine abgespeckte Version mit 2,5 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen. Doch auch dieser Finanztopf kam letztlich aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustande, sodass es aktuell keine größeren Ressourcen für den Klimaschutz gibt. Anspruch und Wirklichkeit klaffen also auch hier weit auseinander.
Mehr Pragmatismus wäre deshalb anzuraten. Es ist ja auch nicht alles schlecht, was klimapolitisch in Bremen bisher gelaufen ist. So sind inzwischen alle Kohlekraftwerke vom Netz, und wenn es mit der Umrüstung des Stahlwerks klappen sollte, wäre das der Durchbruch schlechthin. Der Bremer Anteil an den Fördermitteln für dieses Projekt steht bereit. Beim Kampf gegen den Klimawandel darf das Regierungsbündnis also durchaus ehrgeizig bleiben. Aber mit Blick für das Machbare. Wer Musterschüler sein will und dann nur mit Ach und Krach das Klassenziel erreicht, sieht am Ende immer schlecht aus.
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