Die historischen Dimensionen des Januars hat die Neuauflage von „Laut gegen Rechts“ am Sonntag nicht erreicht – darin sind sich die Anmelder der Demonstration und die Bremer Polizei einig. Doch die Angaben zur Teilnehmerzahl unterscheiden sich deutlich. Von 4000 bis 5000 spricht die Polizei, laut der Organisatoren waren dreimal so viele Menschen auf der Straße: 15.000. Bei Demonstrationen ist es normal, dass die Protestierer selbst deutlich höhere Zahlen verbreiten. Aber wie entstehen die unterschiedlichen Schätzungen eigentlich?
Die Polizei arbeitet laut Sprecher Nils Matthiesen mit zwei Methoden. „Bei einem Demonstrationszug suchen wir uns eine geeignete Stelle, lassen die Teilnehmer vorbeiziehen und zählen“, erläutert er. Genutzt werde dafür ein Handzähler, auch als „Klicker“ bekannt. So müsse lediglich der Daumen gedrückt werden. Bei stationären Kundgebungen schätzt die Polizei, wie viele Menschen sich im Schnitt auf einem Quadratmeter befinden und multipliziert diesen Wert mit der Fläche. „Für den Domshof haben wir mit vier Menschen pro Quadratmeter gerechnet“, sagt Matthiesen. Am Sonntag schätzte die Polizei den Aufmarsch auf dem Osterdeich auf 4000 Personen, die Abschlusskundgebung auf dem Domshof sollen dann bis zu 5000 Menschen verfolgt haben.

Zur Kundgebung kamen weniger Protestierende als im Januar.
Für die Schätzung der Organisatoren war laut Mit-Initiator Lukas Röber die Länge des Demonstrationszugs entscheidend: „Der ging vom Weserstadion bis zum Sielwall.“ Die daraus resultierende Zahl basiere auf den Eindrücken mehrerer Einzelpersonen, eine besondere Methodik habe es nicht gegeben. Nach Röbers Einschätzung sind nicht alle Teilnehmer bis zur Abschlusskundgebung geblieben. Die Polizei registrierte hingegen auf dem Domshof einen gewissen Zulauf von Menschen.
Nach der Kundgebung am 21. Januar hatten Polizei und Organisatoren in ganz anderen Dimensionen diskutiert. Zu einer zunächst für 500 Teilnehmer angemeldeten Kundgebung strömten letztlich etwa 50.000 Menschen. Für Domshof, Marktplatz, Domsheide und die Flächen am Dom hatte die Polizei 45.000 Menschen angegeben. Doch die Protestierer drängten sich auch in den Stichstraßen, weshalb Sprecher Matthiesen gegenüber Radio Bremen wenig später 50.000 als realistisch bezeichnete. „Laut gegen Rechts“ sprach gar von bis zu 70.000 und verwies auf den gesamten Bereich zwischen Hauptbahnhof und Schlachte.
Hohe Teilnehmerzahlen gehen für die Organisatoren auch mit einem hohen Planungsaufwand einher. Nach einer Abstimmung mit Polizei und Ordnungsamt stellte „Laut gegen Rechts“ nach Auskunft von Röber am Sonntag 150 Ordner. „Wir sind gut aufgestellt, weil wir viel Unterstützung aus der Stadtgesellschaft bekommen haben“, erläutert Röber. Nach einem Social-Media-Aufruf hätten gut eine Woche vor der Demonstration etwa 50 Menschen ihre Hilfe angeboten. „Und jeder hat ein paar Freunde mitgebracht“, so Röber.
Laut Karen Stroink, Sprecherin des Innenressorts, geben Versammlungsbehörde und Polizei im Vorfeld einer Kundgebung zu der Zahl der Ordner Empfehlungen ab. Diese basierten nicht nur auf der erwarteten Teilnehmerzahl. Wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestünden, könne es im Einzelfall konkrete Vorgaben geben. „Das Ignorieren von Auflagen der Ordnerinnen und Ordner ist für sich genommen kein Grund, eine Versammlung zu beschränken“, stellt Stroink klar.