Bei der Zuteilung von Lehrkräften an die allgemeinbildenden Schulen steuert die zuständige Behörde kurzfristig um. Schon zum kommenden Schuljahr soll gelten: Die Besetzung vakanter Planstellen wird zentral durch das Schulamt gemanagt. So soll sichergestellt werden, dass bisher stark unterversorgte Schulen kurzfristig besser ausgestattet werden. Die Ansage der Behörde hat unter den Schulleitern der Grund- und weiterführenden Schulen in den vergangenen Tagen für einige Aufregung und Kontroversen gesorgt.
Bisher genossen die Schulleitungen bei der Anwerbung neuer Lehrkräfte eine gewisse Teilautonomie. Sie durften mit Interessenten für bestimmte Planstellen direkte Absprachen treffen. Nur für die formale Abwicklung der Einstellung in den Landesdienst war in solchen Fällen noch die Schulbehörde zuständig. Diese Praxis hatte allerdings einen Nebeneffekt: Schulen in gut situierten Stadtteilen oder mit anderweitig begründetem guten Ruf erhielten viele Initiativbewerbungen und konnten ihren Personalbedarf zumeist gut decken. Andere Schulen haben es dagegen schwer. Wie groß das Gefälle bei der Personalausstattung ist, ging zuletzt im April aus einer Antwort der Bildungsbehörde auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion hervor. So schwankte der Versorgungsgrad im Primarbereich zum Stichtag 1. Februar zwischen 104 (Grundschule Oderstraße in der Neustadt) und 77 Prozent (Grundschule Am Wasser, Grohn). Auch an den weiterführenden Schulen gab es ein breites Spektrum. So konnte die Oberschule Am Barkhof (Schwachhausen) mit einer Quote von 101 Prozent aufwarten. Die Gerhard-Rolfs-Oberschule in Vegesack, zu deren Einzugsgebiet die Grohner Düne gehört, kam auf ganze 83 Prozent.
Die Sprecherin der Bildungsbehörde, Maike Wiedwald, bestätigte dem WESER-KURIER die neue zentralisierte Einstellungspraxis, die ab sofort gelten soll. Der Kurswechsel komme allerdings nicht aus heiterem Himmel. Schon vor den Osterferien habe Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) in einer Schulleiterdienstbesprechung deutlich gemacht, "dass es zu einer stärkeren zentralen Steuerung kommen muss und wird". Wiedwald: "In Zeiten von Fachkräftemangel muss es darum gehen, die Schulen zumindest annähernd gleich gut zu versorgen."
Der Vorsitzende der Bremer Schulleiterkonferenz, Achim Kaschub, ist von der Kursänderung der Bildungsbehörde nicht begeistert. Kaschub leitet die Oberschule Hermannsburg in Huchting. Obwohl sie in einem Quartier mit vergleichsweise hoher Armuts- und Migrationsquote liegt, ist es Kaschub in der Vergangenheit gelungen, im persönlichen Gespräch eine ganze Reihe von Lehramtsanwärtern für die Hermannsburg zu gewinnen. Der Schulleiter hält es für äußerst unglücklich, dass die vorgesetzte Behörde gerade jetzt ihre Einstellungs- und Verteilungspraxis ändert – in einem Moment, in dem viele Schulen schon mit interessierten Lehrkräften handelseinig geworden sind und diese bereits in die Stundenpläne für das erste Schulhalbjahr 2023/24 eingeplant haben. Einige dieser dringend benötigten Pädagogen "werden jetzt nicht an ihre Wunschschule kommen können und möglicherweise abspringen. Vielleicht gehen die dann stattdessen nach Niedersachsen und sind für Bremen verloren", befürchtet Kaschub. Er räumt allerdings ein, dass das Meinungsbild unter den Schulleitern in dieser Frage uneinheitlich ist. Nach seiner Wahrnehmung sind die meisten seiner Kollegen grundsätzlich mit einer zentralen Steuerung durch das Schulamt einverstanden, wenn auch der Zeitpunkt des Kurswechsels als nicht hilfreich empfunden wird.
Für den Vorsitzenden des Zentralelternbeirates, Martin Stoevesandt, ist die Entscheidung der Bildungsbehörde dagegen überfällig. "Wir gefährden den Frieden im Bremer Schulsystem, wenn wir die Schere zwischen ausreichend und schlecht versorgten Schulen noch weiter auseinandergehen lassen", mahnt der Elternvertreter. Es könne nicht sein, dass aufgrund des geringen Versorgungsgrades beispielsweise an der Gerhard-Rohlfs-Oberschule "inzwischen kaum mehr als Verwahrung der Jugendlichen möglich ist", während andere Schulen den Normalbetrieb aufrechterhalten können. Im Übrigen sei es beamteten Lehrkräften durchaus zuzumuten, zeitweilig nicht ihrer Wunschschule zu arbeiten. Stoevesandt: "Die werden ja höchstens von der Innenstadt nach Bremen-Nord versetzt und nicht nach Afghanistan."