Nur wenige Bremer Schulen weisen eine ausreichende Versorgung mit Lehrerinnen und Lehrern auf. Das geht aus einer Aufstellung hervor, die das Bildungsressort auf Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion zusammengestellt hat. Danach kommen vier von 34 Oberschulen auf einen Versorgungsgrad von mehr als 100 Prozent. Bei den Grundschulen sieht die Situation ähnlich aus. Von 80 Grundschulen können 13 eine Lehrerversorgung von mehr als 100 Prozent vorweisen.
Der Elternbeirat der Oberschule an der Hermannsburg machen sich Sorgen. Wegen zahlreicher kranker Lehrer häuften sich seit Herbst die Unterrichtsausfälle. An manchen Tagen liege der Krankenstand bei mehr als 40 Prozent. Was den Eltern zu denken gibt: Mit einer Personaldecke von 100 Prozent gelte die Huchtinger Schule als Vorzeigeschule. "Das verdeutlicht, dass das Problem an anderen Standpunkten, die keinen hundertprozentigen Personalstand haben, noch viel größer ist", schreiben die Eltern in einem Brief an den WESER-KURIER. "Wir fordern daher 105 Prozent an den Bremer Schulen."
Der Schulleiter bestätigt die Angaben der Eltern. Ein Krankenstand von mehr als 40 Prozent bedeute zwar nicht, dass auch 40 Prozent des Unterrichts ausfielen, sagt Achim Kaschub. "Der Ganztag ist gewährleistet, die Kolleginnen und Kollegen machen Überstunden oder versuchen zu betreuen." Doch das koste den einzelnen Menschen viel Kraft. "Das bemerken die Eltern, sie sehen sich in einer Fürsorgepflicht." Auch aus Kaschubs Sicht sind mehr Lehrkräfte dringend erforderlich. "Die hohe Belastung der gesunden Kollegen kann so nicht weitergehen. Alle Bremer Schulen brauchen mindestens eine 105-prozentige Personaldecke, um Ausfälle zu kompensieren."
Doch davon ist Bremen weit entfernt. Drei Oberschulen erreichen nicht 90 Prozent. Am schlechtesten versorgt ist die Gerhard-Rohlfs-Oberschule in Vegesack mit 83 Prozent. Bei den Grundschulen steht die Vegesacker Schule Am Wasser mit 77 Prozent am Ende der Liste. Bei den Gymnasien weist das Gymnasium Vegesack mit 95 Prozent die schlechteste Lehrerversorgung auf. Den ersten Platz aller Schulen belegt die Grundschule Arsten mit 106 Prozent. Spitzenreiter unter den Oberschulen ist die Oberschule Ohlenhof in Gröpelingen mit 102 Prozent.
Nach Ansicht von Bildungsexperten ist ein Versorgungsgrad von mindestens 105 Prozent notwendig, um Schulen gegen Unterrichtsausfälle zu wappnen. "Das ist jetzt schon das politische Ziel – es zu erfüllen, gelingt aber an so gut wie keiner Schule", sagt Bildungspolitikerin Miriam Strunge (Linke). Optimal wäre laut Bildungsgewerkschaft GEW eine noch höhere Quote. Mindestens 106, besser 111 Prozent sind Landesvorstandssprecherin Elke Suhr zufolge ein angemessener Versorgungsgrad. "Diese Zahl ergibt sich schon, wenn man einen durchschnittlichen Krankenstand von sechs Prozent zugrunde legt."
Mit 112 Prozent sei die Grundversorgung immer sichergestellt, sagt Martin Stoevesandt, Sprecher des Zentralelternbeirats (ZEB). In Schulen mit einem hohen Sozialindex sei allerdings eine deutlich bessere Personalausstattung vonnöten. "Da brauchen wir eigentlich eine 120-prozentige Versorgung," so Stoevesandt. Für ihn ist klar: Die offizielle Versorgungsquote von 95 Prozent ist "schön gerechnete Statistik". Die tatsächliche Quote mit vollwertigen Lehrkräften liege bei 80 Prozent. "Und die sind dann auch noch ungleich verteilt."
Dass eklatanter Lehrermangel besteht, stellt die Bildungsbehörde nicht in Abrede. Angesichts kontinuierlich steigender Schülerzahlen sollen bis 2030 insgesamt 3150 neue Lehrkräfte eingestellt werden. Diese Zahl hat Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) unlängst bei der Vorstellung des Personalversorgungskonzepts Schule genannt. In dem 160-Seiten-Papier findet sich indes keine Zielmarke für den Versorgungsgrad der Schulen. "Es ist aber eine Vertretungsreserve von sechs Prozent einberechnet", betont Maike Wiedwald, Sprecherin des Bildungsressorts.
Die Grundschule Am Wasser hatte inzwischen Besuch von der Bildungssenatorin. "Ab nächstem Schuljahr soll es eine bessere Versorgungslage geben", sagt Barbara Bonney, Leiterin des "Zentrums für unterstützende Pädagogik" der Schule. Der regelhafte Betrieb könne aber dank engagierter Lehrkräfte gewährleistet werden. Dass der Schulbetrieb nur noch auf diese Weise funktioniert, beklagt die GEW – und richtete deshalb am Donnerstag eine Bildungsbaustelle am Rathaus ein. "Viele Beschäftigte arbeiten schon lange am oder über dem Limit", sagt Suhr. Nach der Wahl müsse die neue Landesregierung Bildung mit "allerhöchster Priorität" behandeln.