Rund 550 Kinder und Jugendliche sind in Bremen derzeit in Pflegefamilien untergebracht. Ohne dieses private Engagement hätte das Jugendhilfesystem ein ernstes Problem. Die Pflegefamilien sorgen dafür, dass vom Jugendamt in Obhut genommene, oft traumatisierte Kinder wieder Geborgenheit finden und positive Bindungen erfahren. Allerdings brauchen die Pflegeeltern ihrerseits staatliche Unterstützung, um ihre Aufgabe erfüllen zu können – und daran scheint es zu hapern, wenn man dem Sprecherrat der Vollzeitpflegeeltern in Bremen folgt. "Es brennt gerade an jeder Ecke", warnt Bianca Vorndamme, die mit drei Mitstreiterinnen die Interessen der Pflegefamilien vertritt. Deren Lage habe sich in den vergangenen Jahren "wahrnehmbar verschlechtert".
Einen der Gründe sieht Vorndamme im Fachkräftemangel im Jugendamt. Die Fallmanager und Amtsvormunde in der Behörde wechselten wegen hoher Fluktuation beim Personal häufig, sodass kontinuierliche Begleitung und Fallkenntnis oft nicht gegeben seien. "Es geht uns aber gar nicht darum, die Amtsvormunde schlechtzumachen", stellt Vorndamm klar. Ihr Anliegen sei, auf die chronische Personalknappheit aufmerksam zu machen, die zu solchen Zuständen führt.
Was die Sprecherin besonders stört: Statt vom Jugendamt bei ihren Aufgaben unterstützt zu werden, "erleben Pflegeeltern es immer wieder als Kampf, notwendige Unterstützung durchzusetzen". Oft mangele es schon an notwendigen Informationen. So sei Bremer Pflegeeltern beispielsweise erst mit zwei Jahren Verspätung mitgeteilt worden, dass ihre Schützlinge eine finanzielle Beihilfe für die Feriengestaltung in Höhe von 287 Euro bekommen können.
Der Sprecherrat hat nun einige Forderungen zu Papier gebracht, mit denen er auf die Parteien zugehen will – in der Hoffnung, einige Wochen vor der Bürgerschaftswahl auf offene Ohren zu stoßen. Wichtigstes Ziel ist für die organisierten Pflegeeltern, dass der Personalmangel in den Ämtern mittelfristig behoben wird, und zwar durch bessere Bezahlung und attraktivere Rahmenbedingungen. Deutlich mehr Geld soll in den Studiengang "Soziale Arbeit" gesteckt werden.
Wichtig sei zudem, alle Hilfen für Pflegeeltern an einer Stelle zu bündeln. Derzeit müssten die Familien separat mit Fallmanagern, Amtsvormunden und dem Fachdienst "Pflegekinder in Bremen" (PiB) kommunizieren, um bestimmte Dinge zu regeln. Außerdem verlangt der Sprecherrat eine von Jugendamt und PiB unabhängige Beschwerdestelle für Pflegeeltern, eine Studie zur Lage der Bremer Pflegefamilien sowie eine Gleichstellung mit "normalen" Eltern etwa bei der Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente.
In der Sozialbehörde wird unumwunden eingeräumt, dass manches verbesserungsbedürftig sei. So gebe es die vom Sprecherrat beklagte Fluktuation in den Jugendämtern durchaus. Sie führe dazu, "dass die Kolleginnen und Kollegen sich neu in die Fälle einarbeiten müssen", so Sprecher Bernd Schneider. Er geht jedoch davon aus, dass sich mehrere positive Entwicklungen mittelfristig bemerkbar machen werden. So zum Beispiel der weitere Ausbau des genannten Studiengangs "Soziale Arbeit".
Parallel würden im Fallmanagement des Jugendamts neue Stellen geschaffen. "Grundlage ist ein umfassendes Personalbemessungsverfahren, das einen Bedarf von fast 80 zusätzlichen Stellen festgestellt hat, die in Tranchen besetzt werden sollen", ist von Schneider zu erfahren. Die geforderte Beschwerdestelle sei im Aufbau.
Bianca Vorndamme hofft auf solche Fortschritte. Denn vielen Pflegeeltern falle es derzeit schwer, andere Familien für die Aufnahme von Pflegekindern zu motivieren. Die schwierigen Rahmenbedingungen hätten sich bereits in einer Abnahme der Zahl der Pflegeverhältnisse niedergeschlagen. 625 gab es vor acht Jahren, aktuell seien es noch 569 – und dass, obwohl der Bedarf an Unterbringungen eher gestiegen sei.