Bücher sind in. Was auf den ersten Blick als aus der Zeit gefallene Fehleinschätzung abgetan werden mag, offenbart auf den zweiten seine Berechtigung: Die Social-Media-Plattform Tiktok behauptet, dass 2023 mehr als zwölf Millionen Bücher infolge von Booktok-Empfehlungen verkauft worden sind. Tendenz rapide steigend. Der Zuwachs betrage 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Wie groß die Community (um nicht das altmodische Wort Leserschaft zu verwenden) ist, lässt sich schwer schätzen. Aber mehr als 30 Millionen Beiträge sind mit dem Hashtag #Booktok gekennzeichnet. Und auch wenn Literatur-Puristen die Nase rümpfen mögen angesichts der dort verbreiteten Oberflächlichkeiten im Sekundentakt: Die Tatsache als solche lässt hoffen.
Eine zweite Vorbemerkung: Buchhandlungen gehören nach Ansicht der Deutschen in die Innenstädte. Als in der Zeit von November 2021 bis Juni 2022 Menschen für die „Deutschlandstudie Innenstadt“ befragt worden sind, sagten knapp 70 Prozent, dass die Warengruppe Bücher und Schreibwaren in der Innenstadt zu kaufen sein sollte. Die Menschen erwarten dies also beim Besuch im Stadtzentrum. Auch das sollte Leserinnen und Leser positiv stimmen.
Dennoch musste jetzt mit Storm in der Langenstraße die letzte inhabergeführte Buchhandlung und eine der letzten überhaupt in der Innenstadt schließen. Damit verbleiben im Bremer Stadtkern mit der Buchhandlung Schweitzer an der Balgebrückstraße und Thalia in der Obernstraße nur noch zwei Buchläden. Wobei die Filiale von Thalia mit der Bezeichnung Buchladen nicht wirklich getroffen ist, es ist eher ein Buch-Kaufhaus mit eigenen Spielregeln.
Bremen hat über die Jahre reihenweise inhabergeführte Buchhandlungen verloren. Leuwer und Sieglin sind nur zwei der Namen auf der Verlustliste. Rund 4500 Buchhandlungen gibt es noch in Deutschland. Das Netz sei damit immer noch vorbildlich, hat der Börsenverein des deutschen Buchhandels im Januar mitgeteilt. Das folgende Aber ist groß: 100 Geschäfte werden pro Jahr aufgegeben, nur 40 folgen nach. Die Ursachen liegen mit Online-Handel und einer seit Jahren abnehmenden Zahl an Lesern auf der Hand, die Mittel zum Gegensteuern wie so häufig nicht.
Dabei scheint der Verlust von Buchläden seinen Schwerpunkt vor allem in den Innenstädten zu haben. Zeitungsberichte deuten darauf hin, dass andere Städte mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben wie Bremen. Das Problem des Buchhandels wird damit in erster Linie zu einem Problem außerordentlich hoher Mieten in den 1A-Lagen. Das Geld, das man an solchen Orten zum Überleben braucht, lasse sich mit einer unabhängigen Buchhandlung nicht erwirtschaften. Da helfen weder Tradition noch ein pfiffiges Konzept. In den Stadtteilen und in den größeren Orten der Region hingegen halten die Buchhandlungen wacker durch. Auch in Bremen gibt es diese Lese-Leuchttürme noch, aber zum Beispiel in Walle, im Viertel, in Lesum und Vegesack, nicht in Mitte.
Hilfe für den Handel in Paris
Paris hat die Problematik bereits vor Jahren erkannt. Dort wurde 2004 die öffentliche Gesellschaft Semaest gegründet, die ein Vorkaufsrecht auf Läden in bestimmten Quartieren hat – und diese dann gezielt an Interessenten verpachtet, die für eine Mischung und Lebendigkeit des Angebots sorgen. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier den Buchhandlungen. 2019 hat der Deutschlandfunk die Semaest-Direktorin zitiert: „Bei Buchhandlungen und Verlagen dürfen wir in ganz Paris intervenieren. Wir verwalten im städtischen Auftrag nun 50 Buchhandlungen. Da handelt es sich wirklich um eine politische Entscheidung. Ohne die gäbe es heute in Paris so gut wie keinen unabhängigen Buchladen mehr.“
Kann sich Bremen als City of Literature dies zum Vorbild nehmen? Oder wenigstens als Anreiz, aktiv zu werden, damit dieser Titel nicht bloß eine Worthülse ist? Der Qualitätsverlust der Bremer Innenstadt erzeugt einen großen Handlungsdruck, wobei der sterbende Buchhandel zugegeben nur einen Aspekt von vielen darstellt. Aber nicht den unwichtigsten.