Die Bremer CDU hat sich ganz schön was anhören müssen am Donnerstagabend – buchstäblich. Wohl an die 1000 Personen versammelten sich am Wall unter den Fenstern der Parteizentrale und machten ihrem Ärger darüber Luft, dass die CDU-Bundestagsfraktion am Mittwoch gemeinsam mit der AfD einen migrationspolitischen Entschließungsantrag durchs Parlament gebracht hatte.
Es waren zumeist junge Leute, die einem Demonstrationsaufruf von "Fridays for Future" gefolgt waren. Viele führten Transparente oder Plakate mit, auf denen beispielsweise "Merz stoppen", "Eure Ex-Chefin schämt sich" oder auch einfach nur "Pfui" stand. Immer wieder skandierte die Menge Sprüche wie "Widerstand, Widerstand, Merz zurück ins Sauerland." Als sich CDU-Landesvorsitzender Heiko Strohmann und Bürgerschaftsfraktionschef Frank Imhoff am Fenster zeigten, gellten Pfiffe und Buhrufe. Ausschreitungen hat es laut Polizei keine gegeben.
Stellvertretend für viele Anwesende fasste Nina L. im Gespräch mit dem WESER-KURIER die Gründe für ihre Teilnahme am Protest zusammen: „Ich bin entsetzt, dass die CDU diesen Schritt wagt“, sagte die Demonstrantin. „Einen Schritt, der das Tor öffnet für die AfD, eine erwiesenermaßen in Teilen rechtsextreme Partei. Für mich ist auch die CDU auf dem besten Weg, keine demokratische Partei mehr zu sein.“
Unterdessen treten – wie im Bund – auch im Bremer CDU-Landesverband Auffassungsunterschiede zutage, was das gemeinsame Stimmverhalten von CDU und AfD im Bundestag angeht. Der Kreisverbandvorsitzende Bremen-Stadt, Jens Eckhoff, äußerte Zweifel am Kurs von Parteichef Friedrich Merz. "Ich glaube, wir hatten schon bessere Anträge", sagte Eckhoff mit Blick auf die Abstimmung am Mittwoch. Bis zum Wochenende sei der Wahlkampf für die CDU recht ordentlich gelaufen, sagte Eckhoff. Themen wie wirtschaftliche Erholung und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hätten in der Bevölkerung viel Widerhall gefunden. "Jetzt wird wieder nur von Migration gesprochen", so Eckhoffs Wahrnehmung. Er habe Zweifel, ob der Union das nützt.
CDU-Landeschef Heiko Strohmann steht dagegen "hundertprozentig hinter dem Kurs von Friedrich Merz". Der Bundesvorsitzende habe die Stimmung in der Bevölkerung richtig wahrgenommen. "Nach Gewalttaten von Migranten wie zuletzt in Aschaffenburg wollen die Menschen keine politischen Rituale mehr. Sie wollen, dass sich etwas ändert", erklärte Strohmann. Deshalb sei es von Merz auch richtig gewesen, mit seinem Vorstoß im Bundestag ins Risiko zu gehen.
Dort hatte auch der Bremer CDU-Abgeordnete Thomas Röwekamp dem migrationspolitischen Entschließungsantrag der Fraktionsspitze zugestimmt. Der Vorsitzende der Bremer SPD-Bürgerschaftsfraktion, Mustafa Güngör, ging ihn dafür am Donnerstag hart an. Er verwies darauf, dass sich Röwekamp im Oktober vergangenen Jahres im WESER-KURIER für ein Verbotsverfahren gegen die AfD ausgesprochen habe. Nun mache Röwekamp "sehenden Auges gemeinsame Sache mit jenen Rechtsextremen, die er selbst klar für Verfassungsfeinde hält", warf Güngör ihm vor. Ein solches Verhalten sei "eines Repräsentanten unseres Landes in Berlin unwürdig". Thomas Röwekamp wollte Güngörs Äußerungen auf Anfrage nicht kommentieren.
Bundesweite Proteste
Zehntausende Menschen haben bundesweit gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD für eine schärfere Migrationspolitik und gegen einen Rechtsruck protestiert. In Berlin versammelten sich am Abend mehrere Tausend Menschen vor der CDU-Parteizentrale. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf rund 6.000. In München haben nach Polizeiangaben rund 7.000 Menschen vor der CSU-Parteizentrale demonstriert.