Lena Jochmann freut sich schon auf die Einschulungsfeier, auf den allerersten Tag mit den Kindern in der neuen Schule: „Das ist bestimmt ein schöner Moment, wenn wir die Kinder in die Klassenräume bringen.“ Lena Jochmann und Tatjana Welterlich gründen zusammen eine neue Oberschule für den Bremer Westen.
Die Aufbruchsstimmung merkt man den beiden an. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt Lena Jochmann. „So oft bekommt man nicht die Gelegenheit, eine Schule zu gründen“, ergänzt Tatjana Welterlich. Ihr gemeinsames Projekt ist ein aufregendes Unterfangen – und es steht unter Zeitdruck: In nur sieben Monaten soll die neue Oberschule Überseestadt Formen annehmen. Sie ist eine von vier neuen Oberschulen, die seit Mitte Dezember im Eiltempo entstehen und bereits zum Beginn des neuen Schuljahres starten sollen. Hinzu kommen zwei neue Grundschulen und eine Willkommensschule, die momentan in Gründung sind. Die neuen Schulen werden gebraucht, weil die Schülerzahl in Bremen steigt.
Lena Jochmann arbeitet bisher als Lehrerin an der Gesamtschule Ost und zusätzlich an der Erwachsenenschule EWS. Tatjana Welterlich ist ebenfalls Lehrerin und Jahrgangsstufenleiterin an der Gerhard-Rohlfs-Oberschule in Vegesack. Kurz vor Weihnachten wurden sie von der Bildungssenatorin mit der Schulgründung betraut – anfangs noch zusammen mit einer dritten Gründungsbeauftragten, die aber inzwischen aus persönlichen Gründen aus dem Projekt ausgestiegen ist. Jochmann und Welterlich sind momentan täglich miteinander im Kontakt – und mit vielen anderen, mit Architekten und Handwerkern, mit Kolleginnen und Kooperationspartnern. Ihre Aufgaben als Gründungsbeauftragte reichen von Schulhofgestaltung über Unterrichtskonzepte bis zur IT-Ausstattung.
Eigene Gebäude hat die Oberschule Überseestadt im Moment noch nicht. Perspektivisch soll sie auf einen neuen Schulcampus umziehen, der in der Überseestadt entsteht. Doch die Gebäude dort müssen erst umgebaut werden – das wird dauern. Fürs Erste startet die Oberschule Überseestadt deshalb in den Räumen einer Schule, die es schon gibt: Unter dem Dach des Schulzentrums Grenzstraße, das ist eine Berufsschule mit den Schwerpunkten Finanzen und Recht.
Start mit vier Klassen
An der Berufsschule sanken zuletzt die Schülerzahlen, zudem wechselt zum August ein Bildungsgang der Schule an einen anderen Standort. Deshalb gibt es in der Grenzstraße fürs Erste genug Platz. „Wir können die neue Schule hier ohne Probleme aufnehmen“, sagt Peter Hons, Leiter des Schulzentrums Grenzstraße. Ohnehin startet die neue Oberschule zunächst in kleinem Rahmen: Sie beginnt mit vier fünften Klassen in vier Räumen. Bis zu 74 Kinder werden ab August aufgenommen.
„Die Räume samt Toiletten werden für uns saniert, auch ein Theaterraum wird umgebaut“, erzählt Tatjana Welterlich. Stühle und Garderoben müssen ausgetauscht werden, denn die Fünftklässler, die neu hierherkommen, sind jünger als die Berufsschüler vor Ort. Auch ein Schulhof soll für die Oberschüler umgestaltet werden. „Fünftklässler haben andere Bedürfnisse, es soll Spielgeräte geben, eine Nestschaukel, eine Tischtennisplatte und einen Basketballkorb“, sagt Tatjana Welterlich.

Eine anderen der neuen Schulen soll in diesem Gebäude in der Nähe des Bremer Uni-Campus entstehen. Hier soll die neue Oberschule Schwachhausen ihren Sitz haben.
Die neue Oberschule Überseestadt soll Kindern aus dem kompletten Bremer Westen offenstehen – von Findorff bis Oslebshausen. Eltern von Viertklässlern konnten zuletzt schon die neue Oberschule anwählen. In den nächsten Jahren werden jeweils neue fünfte Klassen hinzukommen – bis 2030 könnte die Schule auf rund 500 Schülerinnen und Schüler anwachsen.
Fürs Erste müssen nun noch Lehrkräfte gewonnen werden. Das Kollegium wird zunächst aus sechs bis zehn Personen bestehen. Einige Pädagogen von Bremer Schulen haben sich bereits beworben. „Wir haben einen Großteil der Lehrkräfte, aber teils fehlt noch Personal für bestimmte Fächer“, sagt Beata Warszewik, Schulaufsicht bei der Bildungsbehörde.
Kurze Wege für Berufsorientierung
Berufsorientierung, Kunst und Klimaschutz könnten zu den Schwerpunkten der neuen Schule gehören. „Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie wir eine papierfreie Schule werden können“, sagt Lena Jochmann. „Und die Hochschule für Künste ist so nah bei uns, da werden sich sicher Kooperationen ergeben.“ Sie und Tatjana Welterlich wollen zudem projektorientiertes Lernen fördern – sodass Schüler eigene Themen in verschiedenen Schulfächern vertiefen können.
Daraus, dass die Oberschule zunächst Unterschlupf bei der Berufsschule findet, könnten interessante Konstellationen entstehen, glauben die Schulgründerinnen. Elf- und Zwölfjährige der neuen Oberschule werden dort auf Berufsschüler im Alter von 15 bis 25 Jahren treffen. Das kann auf den ein oder anderen Fünftklässler vielleicht zuerst etwas einschüchternd wirken, bietet aber auch Chancen, zum Beispiel für die Berufsorientierung: So könnten Auszubildende in die Klassen der Oberschüler kommen – einmal quer über den Flur – und ihre Berufe vorstellen, sagt Tatjana Welterlich. Und Berufsschüler könnten Oberschüler als Paten unterstützen, sagt Lena Jochmann: „Da sind totale Synergien möglich.“