Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Vor Start des Betreuungsjahres Personalmangel blockiert 900 Bremer Kitaplätze

Gäbe es genügend Erzieherinnen für alle Kitas, die Bremen zuletzt gebaut hat – der Engpass an Plätzen wäre im bevorstehenden Betreuungsjahr eher gering. Doch genau hier liegt das Problem: Es fehlt Personal.
24.07.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Personalmangel blockiert 900 Bremer Kitaplätze
Von Jürgen Theiner

Kurz vor Beginn des neuen Betreuungsjahres zeichnet sich ab, dass etwa 900 baulich fertiggestellte Kitaplätze im Stadtgebiet nicht genutzt werden können, weil den Trägern der Einrichtungen das nötige Fachpersonal fehlt. Das betrifft nach Informationen des WESER-KURIER sowohl den kommunalen Anbieter Kita Bremen als auch freie Träger wie Awo, PME Familienservice oder kleinere Eltern-Kind-Vereine. Die Bildungsbehörde geht davon aus, dass es im August für insgesamt gut 1300 angemeldete Kinder keine Betreuung geben wird.

Das Problem leer stehender Gruppenräume hat sich in den vergangenen Jahren bereits abgezeichnet. Vor dem Hintergrund massiv gestiegener Anmeldezahlen kurbelten sowohl Kita Bremen als auch freie Träger wie die Kirchen und karitative Organisationen den Neubau an. Seit 2014 wuchs die Zahl der Betreuungsplätze im Krippen- und Elementarbereich um mehr als 7800, in vielen Stadtteilen entstanden neue Einrichtungen.

Parallel wurden auch die Bemühungen um mehr Personal verstärkt, und zwar auf allen Qualifikationsebenen – von voll ausgebildeten Erzieherinnen bis zu Hilfskräften, die in den Gruppen unterstützen. Die Personalgewinnung hielt mit dem Tempo beim Ausbau der Räumlichkeiten allerdings nicht Schritt: Im vergangenen Jahr konnten deshalb etwa 650 Plätze nicht genutzt werden, nun sind es 250 weitere. Nach Jahren steigender Betreuungsquoten gibt es deshalb eine rückläufige Entwicklung, die bereits 2023 einsetzte.

Rechtsanspruch wirkt sich aus

Die Bildungsbehörde verweist auf die Größe der Herausforderung. In den vergangenen Jahren sei die Zahl der nachgefragten Betreuungsplätze mit einer zuvor nicht gekannten Dynamik gestiegen – allein seit 2021 um mehr als 2000. Besonders auffällig ist demnach der Zuwachs bei Kindern unter drei Jahren und bei den Über-Sechsjährigen. Das hat zum einen mit der Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Betreuung für die ganz Kleinen zu tun, zum anderen mit dem kontinuierlich ansteigenden Durchschnittsalter bei der Einschulung. Dass Kinder mit Sprachförderbedarf im Jahr vor dem Schulbeginn prioritär zu berücksichtigen sind, hat die Zahlen zusätzlich nach oben gepusht. Im Bundesvergleich hohe Geburtenraten und der Zuzug kinderreicher Familien taten ein Übriges.

Gegenüber dem WESER-KURIER räumte Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) die Probleme ein. Zwar habe man im Baubereich "die Trendwende geschafft" und die Kapazitäten hochfahren können. Wenn es nun aber zu wenig Personal gibt, um diese auch ausschöpfen zu können, müsse es "das Ziel sein, den Fachkräftemangel noch viel stärker in den Fokus zu rücken", sagte Aulepp. Sie will vor allem Quereinsteiger für eine Tätigkeit in der Kinderbetreuung gewinnen. "Die Tagespflegeoffensive hat gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die eine große Rolle für Kleinsten spielen wollen und bereit sind, sich dafür weiter zu qualifizieren."

Vielzahl an Einstiegsprogrammen

Die Senatorin bezieht sich mit diesem Satz auf die von ihr forcierte Anwerbung gering qualifizierter Interessenten, oft mit Migrationshintergrund, für die Arbeit in Kitas. Seit 2023 gibt es solche Einstiegsprogramme, in denen Grundqualifikationen für die Kindertagespflege vermittelt werden. Die Absolventen arbeiten danach als Unterstützungskräfte zur Entlastung der Erzieherinnen. Im vergangenen Jahr begannen 133 Personen mit solchen Lehrgängen. 97 von ihnen haben sie inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Geplant sind berufsbegleitende Weiterbildungsmöglichkeiten, die diesen Hilfskräften mittelfristig Aufstiegsperspektiven eröffnen sollen.

Mit einer ganzen Palette weiterer Projekte und Programme bemüht sich Aulepp, Interessenten jenseits der klassischen Erzieherausbildung anzusprechen. Eines der Angebote ist die "Qualifizierung in sozialpädagogische Arbeitsfelder", die im Herbst 2023 mit zunächst neun Teilnehmern startete. Sie richtet sich an Zugewanderte, die aus ihren Herkunftsländern einen Uni- oder Fachhochschulabschluss für einschlägige Berufsfelder mitbringen, der in Deutschland allerdings nicht anerkannt wird. Ziel ist es, die Teilnehmer praxisorientiert in Bremer Kitas nachzuqualifizieren.

Ein weiterer Ansatz, der seit 2018/19 verfolgt wird, ist die "Praxisintegrierte Ausbildung" (PiA). In diesem Format wechseln sich Theorieunterricht und praktischer Einsatz ab, die Kita wird zum Ausbildungsort. In der Regel verbringen die Schülerinnen zwei Tage pro Woche in der Fachschule und drei in der Praxis, das Ganze auf der Grundlage einer tarifvertraglichen Vergütung. Statt zwei Jahren Schule und einem anschließenden Anerkennungsjahr werden die beiden Komponenten zu einer dreijährigen Ausbildung verschmolzen.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)