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Interview mit SPD-Chefin Saskia Esken in Bremen: "Fairness ist keine Kategorie in der Politik"

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat in Bremen die Kundgebung des DGB zum 1. Mai besucht. Wenige Tage bevor die SPD ihre künftigen Bundesminister benennen will, spricht sie über Anfeindungen und Zuspruch.
01.05.2025, 17:59 Uhr
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Saskia Esken in Bremen:
Von Timo Thalmann

Was führt Sie als SPD-Vorsitzende wenige Tage vor der Bildung eines neuen Bundeskabinetts mit sieben sozialdemokratischen Ministerposten nach Bremen?

Saskia Esken: Natürlich die Kundgebung zum 1. Mai, wo wir als sozialdemokratische Führungsspitze gerne unsere Verbundenheit mit der Gewerkschaftsbewegung zeigen wollen. Und so verteilen sich die Mitglieder des Bundesvorstandes eben etwas über die Republik.

Und Bremen wurde Ihnen zugelost?

Das durfte ich mir schon selbst aussuchen. Es ist eine schöne Stadt, ein toller und erfolgreicher sozialdemokratischer Landesverband, ein beliebter Bürgermeister und Ministerpräsident aus unserer Partei. Ich komme sehr gerne nach Bremen.

Auch in der traditionellen SPD-Hochburg Bremen wachsen die Bäume für die SPD nicht mehr in den Himmel der absoluten Mehrheiten. Erfolgreich also nur im Vergleich zur Bundestagswahl.

Das Ergebnis kann man nicht schönreden, das ist klar. Aber wir haben eine Menge daraus gemacht. Das sehen offenbar auch die Mitglieder der SPD so, die dem Koalitionsvertrag mit großer Mehrheit zugestimmt haben.

Sie haben nach der Bundestagswahl viel Kritik einstecken müssen und es ist einigermaßen unklar, ob und in welcher Funktion Sie künftig politisch tätig sind. Haben Sie eigentlich das Gefühl, mit Ihnen wird fair umgegangen?

Fairness ist leider keine Kategorie in der Politik. Darauf hat man keinen Anspruch und ich würde mich deswegen nie beschweren. Mir persönlich sind Loyalität und Solidarität sehr wichtig. Diese Werte in der SPD vorzuleben, war seit meinem Amtsantritt vor fast sechs Jahren eines meiner Ziele.

Jeder Mensch braucht Zuspruch und Anerkennung, Sie bestimmt auch. Gerade wenn Kritik fortgesetzt aus den eigenen Reihen kommt, macht das doch etwas mit einem. Geht das alles spurlos an Ihnen vorbei?

Ich erlebe das so nicht. Würde ich nur in meiner Berliner Wohnung sitzen und den ganzen Tag die Kommentare im Netz lesen, würde ich wahrscheinlich an der Welt verzweifeln. Stattdessen bin ich viel unterwegs, ich nehme mir Zeit für Besuche, versuche Regionen kennenzulernen und erlebe viel Zuspruch. Heute war ich beim 1. Mai-Marsch und habe die Infostände neben der Kundgebung auf dem Domshof besucht. Das war geradezu das berühmte Bad in der Menge mit viel Sympathie. Ich reise nicht mit einem großen Tross, der mich abschirmt. Auf den Straßen, an Bahnsteigen, in Zügen werde ich häufig erkannt und hin und wieder angesprochen. Da sind nicht immer alle einer Meinung mit mir, aber sie begegnen mir trotzdem wertschätzend. Ich sehe darum inzwischen einen Unterschied zwischen der Wirklichkeit, wie sie in Medien stattfindet, und der Realität des eigenen Erlebens. Das geht auch meinem Gegenüber oft so. Was ich am häufigsten höre, ist: „Sie sind ja viel netter als im Fernsehen.“

Trotzdem erfahren Politiker viele Anfeindungen. Ihr Kollege und ehemaliger SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat seinen Rückzug aus der Politik kürzlich auch mit einem Gefühl beständiger persönlicher Bedrohung erklärt. Erleben Sie das auch?

Bisweilen erlebe ich auch, dass Grenzen überschritten werden, aber ich als bekannte Bundespolitikerin bin dabei doch noch privilegiert. Im Zweifelsfall würde die Polizei bei einer Bedrohungslage bei mir genauer hinschauen als beispielsweise bei einem ehrenamtlichen Lokalpolitiker. Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen, die sich politisch engagieren, eingeschüchtert, bedroht oder gar angegriffen werden. Dagegen müssen wir uns wehren.

Ans Aufgeben haben Sie nie gedacht und denken Sie auch jetzt nicht?

Ich bin in die Politik gegangen, um die Welt etwas gerechter zu machen. Das ist und war mein Antrieb und der verschwindet nicht so schnell. Ich weiß, das klingt etwas hochtrabend, aber so ist es einfach. In den vergangenen sechs Jahren hatte ich die große Ehre, das als SPD-Vorsitzende tun zu dürfen.

Und an welcher Stelle wird man Sie künftig finden? Weiterhin Vorsitzende oder im neuen Kabinett?

Das wird sich zeigen. Es ist mein Antrieb und ich habe Freude daran, Dinge zum Besseren zu verändern. Und das würde ich auch gerne weiterhin tun.

Das Gespräch führte Timo Thalmann.

Zur Person

Saskia Esken (63) ist seit 2019 Vorsitzende der SPD. Länger war nach Willy Brandt seit 1987 nur Sigmar Gabriel in diesem Amt. Doch die aus Calw stammende Politikerin erfährt viel Kritik innerhalb der Partei.

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