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Bremer mischt bei Borgward mit Spezialist für moderne Antriebe und Oldtimerfan

Borgward will in Deutschland und später in Europa mit rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen punkten. Und verantwortlich für alternative Antriebe ist bei Borgward der Bremer Tilo Schweers.
27.10.2016, 00:00 Uhr
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Spezialist für moderne Antriebe und Oldtimerfan
Von Peter Hanuschke

Borgward will in Deutschland und später in Europa mit rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen punkten. Und verantwortlich für alternative Antriebe ist bei Borgward der Bremer Tilo Schweers.

Im Grunde setzt die Borgward-Geschichte dort an, womit das Unternehmen über Jahrzehnte erfolgreich agierte: Neue technologische Entwicklungen aufzunehmen, weiterzuentwickeln und sie in die Serienfertigung zu integrieren. Einst waren es Innovationen wie der Blinker, das Automatikgetriebe oder die Direkteinspritzung. Heute will Borgward in Deutschland und später in Europa mit rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen punkten. Und verantwortlich für alternative Antriebe ist bei Borgward Tilo Schweers. Der ist auch noch passend zur Geschichte Bremer – zumindest aus nostalgischen Gründen.

Studiert hat der Entwicklungschef allerdings an der Aachener RWTH Maschinenbau mit der Fachrichtung Fahrzeugtechnik, war anschließend Oberingenieur am Institut für Kraftwesen der RWTH und promovierte dort. Ab 1996 war Schweers beim Daimler-Konzern tätig und arbeitete dort schwerpunktmäßig an der Entwicklung alternativer Antriebe.

Im August dieses Jahres wechselte Schweers zu Borgward. Für ihn schließt sich damit ein Kreis: Geboren und aufgewachsen in Bremen, kam der heute 53-Jährige schon früh mit dem Borgward-Spirit in Kontakt: „Schon in meiner Kinder- und Jugendzeit war ich mit dem Borgward-Virus durch die damals noch zahlreichen Modelle im Straßenbild infiziert. Und mein morgendlicher Schulweg führte mich tagtäglich an der Borgward-Villa vorbei.“

Auswahl an E-Fahrzeugen ist noch übersichtlich

Den Wechsel vom etablierten Hersteller Mercedes zum Neuling Borgward begründet Schweers damit, dass „ich eine sehr interessante Anfrage bekommen hatte, mich in ein neues Thema zu stürzen. Das hörte sich extrem spannend an.“ Gereizt habe ihn auch, dass man mehr Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung habe, als in einem so großen Konzern wie Daimler. „Deswegen habe ich die Chance ergriffen, um noch mal etwas ganz Neues zu machen.“

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Mit der Strategie, in Deutschland und Europa mit Elektrofahrzeugen antreten zu wollen, werden dem reanimierten Unternehmen in Branchenkreisen größere Chancen eingeräumt, in einer Nische einen Platz zu finden. Denn die Auswahl an Elektrofahrzeugen der großen deutschen Automobilhersteller ist noch sehr übersichtlich und nimmt erst langsam Fahrt auf. Im eng besetzten Markt der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren versucht es Borgward erst gar nicht, in Europa Vertriebswege aufzubauen.

Dieses Geschäft soll zunächst in China, später in anderen asiatischen Ländern wie Indien sowie in Teilmärkten Südamerikas stattfinden. Im Reich der Mitte läuft das erste neue Borgward-Modell, der BX7, bereits vom Band. Die Fahrzeuge werden in einer Fertigungsstätte in Peking hergestellt. Der Marktstart war im Mai, die ersten 15.000 Fahrzeuge sind ausgeliefert beziehungsweise bestellt.

Elektromotor wird nicht bei Borgward entwickelt

Der Elektromotor selbst wird nicht bei Borgward entwickelt, sondern „ist ein Zulieferteil wie bei allen Originalausrüstungsherstellern“, so Schweers. „Mit dem gesamten E-Auto sind wir noch nicht fertig, wir haben noch einige Baustellen zu bearbeiten – etwa beim Zusammenspiel der Komponenten.“ Außerdem müsse so ein Fahrzeug eine gewisse Erprobung hinter sich haben. „Wir wollen nicht das erste zusammengeschraubte Auto dem Kunden in die Hand drücken, sondern werden die Fahrzeuge erst dann ausliefern, wenn sie einen bestimmten Reifegrad haben.“ Es gehe um Zuverlässigkeit. Das sei auch etwas, wobei er auf Erfahrungen aus seiner vorherigen Tätigkeit zurückgreifen könne.

Bei der Fertigung der vollelektrischen Fahrzeuge werden unter anderem Bosch bei der Weiterentwicklung des elektrifizierten Antriebsstranges und der koreanische Elektronikkonzern LG bei der Entwicklung und Lieferung von leistungsfähigen Batterien entscheidende Rollen spielen. Mit beiden Unternehmen hatte Borgward bereits im April eine Zusammenarbeit verkündet. Außerdem hatte Borgward 2015 eine langfristige strategische Partnerschaft mit der FEV GmbH, einem international führenden Dienstleistungsunternehmen in der Konstruktion und Entwicklung konventioneller und alternativer Antriebe mit Hauptsitz in Aachen, geschlossen.

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Dass der Anteil der vollelektrischen Autos am Autogesamtmarkt im vergangenen Jahr nur bei 0,4 Prozent lag, ist für Borgward kein Beleg dafür, dass sich die Technik nicht durchsetzen wird, sondern vielmehr Motivation, mit dem richtigen Produkt in diesen Markt vorzustoßen. Der bisher geringe Absatz liege nicht an einer fehlenden Akzeptanz, ist Schweers überzeugt. „Ich habe schon Elektroautos gebaut, als es wirklich nur die Steckdose an der Wand gab mit 220 Volt und 16 Ampere.“ Und auch das habe bei den Testern funktioniert, „wenn man sich einmal damit beschäftigt hatte, wie lange die Ladezeiten sind und wie viel Reichweite man wirklich benötigt.“

Mehr Ladestationen nötig

Wo es aber Nachholbedarf gebe, sei der Ausbau einer flächendeckenden substanziellen Ladeinfrastruktur. Denn die Ansprüche seien gewachsen, es gehe um noch größere Reichweiten, und man möchte auch mit einem E-Auto schneller fahren. Dafür werde natürlich eine stärkere Infrastruktur benötigt. Die werde nach und nach auch weiter ausgebaut werden.

Wobei das nicht ein oder mehrere Autohersteller alleine machen könnten, sondern dies sei nur als Gemeinschaftsaufgabe zusammen mit der öffentlichen Hand und der Stromwirtschaft zu erreichen. Schweers sieht beim Thema Elektromobilität nicht das gern zitierte Henne-Ei-Problem: „Wir müssen auf gar nichts warten – beides ist schon da. Wir müssen nur damit anfangen, die E-Autos zu bewegen, dann sehen wir, das funktioniert schon heute ganz gut.“ Und je mehr Tankstellen dazukämen, desto komfortabler werde es natürlich.

Für Schweers steht jetzt schon fest, dass er selber auf jeden Fall einen modernen E-Borgward fahren werde, aber er hält auch Ausschau nach einem historischen Modell: „Ich bin Oldtimersammler und da fehlt mir noch ein Borgward.“

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