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Staatsschutz Bremen Mehr Hinweise auf Hetze im Internet

Bremens Staatsschutz spricht von massiven Veränderungen – bezogen auf neue Gesetze, die die bessere Verfolgung von Hass und Hetze im Internet ermöglichen. Mehrere Bremer haben das zu spüren bekommen.
11.01.2024, 05:00 Uhr
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Von Ralf Michel

Eine neue Verordnung auf europäischer Ebene ermöglicht es Strafverfolgungsbehörden, effektiver gegen Hass und Hetze im Internet vorzugehen. Was das im Einzelfall bedeuten kann, erfuhren unlängst 13 Bremer Bürger. Bei ihnen stand morgens um sechs Uhr die Polizei vor der Tür, durchsuchte ihre Wohnungen und nahm elektronische Geräte wie Laptops, Tablets und Smartphones mit. Beteiligt waren auch Spezialeinsatzkräfte. Nicht von ungefähr – bei zwei der Verdächtigen wurden 54 Waffen sichergestellt.

Beschuldigt wurden neun Männer und vier Frauen im Alter zwischen 18 und 74 Jahren. Sie sollen in den sozialen Medien beleidigende, rassistische, volksverhetzende oder antisemitische Inhalte veröffentlicht, befürwortet oder weitergeleitet haben. Am häufigsten ging es dabei laut Staatsschutz um beleidigende und drohende Äußerungen gegen Politiker. 

36 Schreckschusspistolen gefunden

Wirkliche „Großkaliber“ seien nicht unter den Beschuldigten gewesen, heißt es seitens des Staatsschutzes. Einige von ihnen, wie etwa einen „Reichsbürger“, habe man schon vorher auf dem Zettel gehabt. Dazu kämen bislang unauffällige Personen, deren offenkundig gewordene Gesinnung dazu anrate, sie auch weiter im Blick zu behalten. Überwiegend habe es sich um eher unbedarfte Personen gehandelt, die das Internet offenbar immer noch als rechtsfreien Raum betrachteten. Entsprechend überrascht seien sie über die Hausdurchsuchung gewesen, berichtet ein Mitarbeiter des Staatsschutzes. „Die haben einfach nicht geglaubt, dass wir sie ermitteln können.“

Wie fließend der Übergang zu potenziell weit gefährlicherer Klientel sein kann, zeigt der Fund von 36 Schreckschusswaffen in einem der durchsuchten Häuser. Im selben Haushalt befanden sich auch vier scharfe Schusswaffen eines anderen Familienmitglieds. Gewehre eines Jägers, die ordnungsgemäß angemeldet waren. In Verbindung mit der aufgedeckten Hetze im Internet sind sie Anlass für eine erneute Zuverlässigkeitsüberprüfung seitens der Waffenbehörde.

Dass die Internetaktivitäten der Beschuldigten in den Fokus des Bremer Staatsschutzes gerieten, geht auf den Digital-Service-Act der Europäischen Union und dessen deutsche Umsetzung zurück, dem Digitale-Dienste-Gesetz. Die neuen Regelungen verpflichten große Online-Plattformen wie Facebook oder X dazu, strafbare Inhalte an Behörden zu melden.

Konkrete Hinweise auf Täter

„Das alles ist noch im Aufbau, nimmt aber zunehmend Fahrt auf“, erläutert der Mitarbeiter des Staatsschutzes. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat eine zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) eingerichtet. Von Herbst 2022 bis Herbst 2023 wurden 13.730 Meldungen registriert. Warum Bremens Staatsschutz in diesem Zusammenhang von einem „Gamechanger“ spricht, verdeutlichen zwei andere Zahlen: Bei 81 Prozent dieser Meldungen handelte es sich tatsächlich um strafbare Inhalte. Und: In 87 Prozent der Fälle gab es konkrete Hinweise auf die Täter – Ausgangspunkt auch für die Durchsuchungen der Polizei in Bremen.

Für den Verfassungsschutz ist die Aufklärung des extremistischen Personenpotenzials im virtuellen Raum ohnehin seit Jahren ein Arbeitsschwerpunkt. Die vielfältigen Vernetzungsmöglichkeiten im virtuellen Raum über diverse Messenger-Dienste und Kommunikationsplattformen böten Extremisten einfache Möglichkeiten, ihre verfassungsfeindlichen Weltanschauungen breit zu streuen, neue Anhänger zu rekrutieren und sich untereinander zu vernetzen, sagt Bremens Verfassungsschutz-Chef Thorge Koehler.

Ganz offensichtlich fällt es vielen Leuten leichter, etwas zu liken oder weiterzuleiten, als den Kopf einzuschalten.
Cornelia Holsten, Landesmedienanstalt Bremen

Zu den Kooperationspartnern des BKA gehören deutschlandweit auch die Landesmedienanstalten. „Wir durchsuchen das Netz mit künstlicher Intelligenz – eine Software, die rechtswidrige Inhalte erkennt“, erklärt Cornelia Holsten, Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt. Strafrechtlich relevante Dinge würden an die ZMI weitergeleitet. „Die checken den Sitz des Verfassers und ob Erkenntnisse über ihn vorliegen und leiten das dann automatisiert an die jeweiligen Landeskriminalämter weiter.“

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Die Unbedarftheit vieler Bürger, von der der Staatsschutz spricht, kennt auch Holsten. „Ganz offensichtlich fällt es vielen Leuten leichter, etwas zu liken oder weiterzuleiten, als den Kopf einzuschalten.“ Hinnehmen müsse das aber niemand, betont sie und verweist auf das Beschwerdeformular auf der Homepage der Landesmedienanstalt. Das Pendant der Polizei hierzu findet sich unter dem Stichwort „Hetze im Internet“ auf deren Homepage. Auch dort können Hass-Kommentare mit wenigen Klicks gemeldet werden.

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