Landeswahlleiter Andreas Cors kündigte am Mittwoch an, dass er wegen der Panne mit 280 Stimmzetteln Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl in vier Wahlbezirken erheben wird. Dies war Thema einer öffentlichen Sitzung des Landeswahlausschusses, in der Cors zudem das amtliche Endergebnis der Bürgerschaftswahl bekanntgab. Bei sogenannten Grenzmandaten, also Bewerbern, die nur knapp ins Landesparlament gelangt sind, könnten die nicht berücksichtigten Stimmen mandatsrelevant sein, gab er zur Begründung an. Auf die Sitzverteilung hätten sie keinen Einfluss.
Ob die Wahl aufgrund der verlorenen Wahlscheine in den betroffenen vier Ortsteilen wiederholt werden muss, entscheidet am Ende das Wahlprüfungsgericht. Es besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts und fünf Bürgerschaftsabgeordneten, die in der konstituierenden Sitzung gewählt werden.
Bürgerschaftswahl: 1400 Stimmen nicht berücksichtigt
Wie berichtet, sind in den vier Stimmbezirken Bahnhofsvorstadt, Neustadt, Seehausen und Bürgerpark 280 Stimmzettel vernichtet worden – Andreas Cors schließt aus, dass dies vorsätzlich geschah. Durch die Panne wurden insgesamt 1400 Stimmen nicht berücksichtigt. In den Wahllokalen waren Datenschutzcontainer zur Entsorgung nicht genutzter Stimmzettel aufgestellt. "In der Hektik des Abends muss ein Karton mit ausgezählten Stimmzetteln im Datenschutzcontainer gelandet sein", sagte Cors. Der Inhalt sei bereits am nächsten Tag entsorgt worden.
Offiziell verkündet wird das Endergebnis der Wahl noch per Amtsblatt, sagte Evelyn Irrsack, Leiterin des Büros der Landeswahlleitung. Im nächsten Schritt können die gewählten Kandidaten schriftlich erklären, ob sie die Wahl annehmen. Falls Kandidaten ihr Mandat nicht annehmen wollen oder können, ermittelt der Landeswahlleiter Nachrücker.
Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die Bürgerschaftswahl ganz wiederholt werden muss. Wie bereits angekündigt, hat die AfD weiterhin vor, die Wahl anzufechten. Das bestätigte Sergej Minich vom sogenannten Rumpfvorstand. "Wir sitzen dran und sind dabei, die Wahlanfechtung zu verfeinern", gab Minich Auskunft. Wenn Kreis- und Landesvorstand keine Einwände hätten, werde die Parteispitze den Einspruch Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche beim Wahlprüfungsgericht einreichen. Ab der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses kann die Wahl binnen einer Frist von vier Wochen angefochten werden. Minich äußerte sich enttäuscht darüber, dass bereits im Vorfeld der Wahl drei Klagen der AfD abgeschmettert worden waren: "Ich habe das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren."
Weitere AfD-Mitglieder, die bisherigen Bürgerschaftsabgeordneten Frank Magnitz und Heiner Löhmann, hatten im Vorfeld angekündigt, die Wahl ebenfalls anfechten zu wollen. Sie waren am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme verfügbar. Die beiden Lager sind zerstritten: Der sogenannte Notvorstand um Magnitz und Löhmann und der Rumpfvorstand sprechen sich gegenseitig die Rechtmäßigkeit ab. "Diese Personen dürfen sich nicht AfD nennen", sagte Sergej Minich.
In der Geschichte der Landeswahlleitung gibt es kaum vergleichbare Fälle. 2012 war ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Bremerhaven und der Bürger in Wut (BiW) über die Wahl 2011 mit einem Vergleich beendet worden. Demnach sicherte die Stadt zu, keine Wahllokale mehr in Filialen der Sparkasse unterzubringen. Die BiW hatten mit Hinweis auf dort angebrachte Videokameras eine Verletzung des Wahlgeheimnisses moniert und vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Die Wählervereinigung kritisierte in dem Verfahren nicht nur die Platzierung in drei Bankfilialen, sondern auch die Auszählungen. Hierzu hatte das Gericht dargelegt, dass man der BiW-Argumentation wohl nicht folgen werde.