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Streit in Bremer Koalition Wie Rot-Grün-Rot sich selbst zerlegt

So viel Streit auf offener Bühne war selten in Bremens rot-grün-roter Koalition. Einige Akteure starten offenbar schon die Profilierung für die Wahl 2027, meint Jürgen Theiner.
08.05.2025, 06:02 Uhr
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Wie Rot-Grün-Rot sich selbst zerlegt
Von Jürgen Theiner

Der Verzehr von Popcorn ist auf den Abgeordnetenbänken der Bremischen Bürgerschaft nicht gestattet. Wäre das anders – die Mitglieder der Oppositionsfraktionen hätten sich in dieser Woche auf ihren Sitzen räkeln und fröhlich futternd dabei zuschauen können, wie ihr Job von der rot-grün-roten Koalition gleich mit erledigt wird. Es brauchte keine CDU oder FDP um aufzuzeigen, wie angeschlagen und nervös das Regierungsbündnis ist. Das schafften SPD, Grüne und Linke ganz allein. Mal beharkten sie sich untereinander, mal lagen sie mit dem eigenen Innensenator im Clinch.

Los ging's am Montag. In einer Aktuellen Stunde zum umstrittenen Gewerbegebiet Horner Spitze brach sich bei der SPD lange aufgestauter Frust über die Grünen Bahn. Die Wirtschaftsbehörde plant, auf dem Areal technologiestarke Unternehmen mit Bezügen zur benachbarten Universität anzusiedeln. Es soll also genau das passieren, was Ziel von Wirtschaftspolitik an einem Hochschulstandort sein muss: Umsetzung von Forschungsergebnissen in industrielle Anwendungen, wobei hochqualifizierte Arbeitsplätze entstehen. Doch mit den Grünen ist das nicht zu machen. Sie haben an der Horner Spitze eine "Kaltluftschneise" ausgemacht, deren Bebauung das Stadtklima beeinträchtigen würde.

In der Debatte wetterte der SPD-Wirtschaftspolitiker Volker Stahmann gegen die Blockadehaltung der Grünen, richtete aber nicht viel aus. Falls es dabei bleibt, strömt zwar auch in Zukunft Kaltluft Richtung Innenstadt, aber keine zusätzliche Gewerbe- und Einkommensteuer in Bremens Kassen. Kann man so machen. Ist dann aber auch eine unmissverständliche politische Aussage: Jobs und Finanzen sind nicht ganz so wichtig.

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Kaum war der Pulverdampf verflogen, gab es am Dienstag neuen Zoff im Regierungslager. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) brachte die rot-grün-rote Parlamentsriege gegen sich auf, als er deren Initiative für einen AfD-Verbotsantrag auf Bundesebene nicht mal halbherzig unterstützte. Ihn bekümmerte vor allem, dass sein eigener Fahrplan durcheinandergebracht worden war. Denn zum Umgang mit der AfD wollte Mäurer auf der kommenden Innenministerkonferenz unter seinem Vorsitz eine politische Klärung herbeiführen. Deshalb war es ärgerlich für ihn, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Ende vergangener Woche bereits einen Pflock einschlug und die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" einstufte. Plötzlich erhielt das Thema eine ganz neue Dynamik, die sich Mäurers Regie entzog: Die rot-grün-rote Bürgerschaftsmehrheit preschte mit einer neuerlichen Initiative für ein AfD-Verbot vor und torpedierte damit den Zeitplan des Innensenators.

Dass Ulrich Mäurer in der Bürgerschaft einen großen Teil seiner Redezeit darauf verwendete, dies zu bejammern und die Rolle der AfD in Bremen kleinzureden, nahmen ihm SPD, Grüne und Linke übel. Durchaus zu Recht. Etwas weniger gekränkte Eitelkeit und etwas mehr Solidarität mit der Koalition hätte Mäurer schon zeigen können. Sensibilität für solche Belange hat ihn allerdings noch nie ausgezeichnet. Mäurer macht sein Ding, egal, was die anderen sagen. Die Empörung, die ihm aus den Reihen der Koalition entgegenbrandete, war allerdings ebenfalls überzogen. Besonders für die Linken ist der Innensenator inzwischen eine Reizfigur, entsprechend schrill die Kritik an ihm.

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Dem Gesamtbild der Koalition ist das alles nicht dienlich. Man wird den Eindruck nicht los, dass einige rot-grün-rote Akteure zur Mitte der Legislaturperiode bereits mit der Profilbildung für die Wahl 2027 beginnen. Zu gestalten gibt es bis dahin – mangels Geld – nicht viel. Also sollte man wenigstens zeigen, wofür man im Grundsatz steht, scheinen einige zu denken. Wohin eine solche Haltung führen kann, ließ sich im Herbst vergangenen Jahres in Berlin besichtigen. Die Lehre ist eigentlich klar: Ohne ein Mindestmaß an Disziplin und Kompromissbereitschaft lässt sich nicht regieren. Wer meint, das Geschäft der Opposition gleich mit erledigen zu müssen, findet sich über kurz oder lang selbst in der Opposition wieder.

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