Andreas Block-Daniel ist skeptisch. "Der Baum ist dem Tod geweiht", sagt der Gartenbau-Ingenieur und langjährige Baumgutachter und blickt eine ziemlich stattlich wirkende Kastanie hinauf. Rund 100 Jahre alt, gerade frisch ausgetrieben, wirkt sie eigentlich recht lebendig, wäre da nicht die seltsame, unnatürliche Form. Sie ist das Ergebnis eines ziemlich radikalen Rückschnitts, den Block-Daniel, als "unsachgemäß" bezeichnet.
Doch daran allein stirbt normalerweise kein Baum, die eigentliche Ursache ist der direkt angrenzende, noch unfertige Neubau. Dabei wurden wohl beim Bau des Kellers armdicke Wurzeln gekappt, was wiederum den Rückschnitt der Krone nach sich zog. Trotzdem ragt der Baum ziemlich dicht an den mehrstöckigen Bau heran. Für den Baumexperten Ergebnis einer offenbar unterlassenen ökologischen Begleitung der Bauarbeiten. "Das dauert aber sicher noch fünf bis acht Jahre, bis das Sterben wirklich sichtbar wird." Aus seiner Sicht ein verbreitetes Problem: Wenn ein Baum abstirbt und gefällt werden muss, sind die Ursachen lange her und die Verursacher zumeist ebenso lange weg.
Zahl der geschützten Bremer Bäume steigt um 40 Prozent
Dass individuelle Bemühungen um einen Baum den Unterschied machen, zeigt Block-Daniel nur 400 Meter weiter in der gleichen Straße. Da steht eine weitere hundertjährige Kastanie, eigentlich sogar unter ungünstigeren Umständen, eingeklemmt in einem kleinen Vorgarten zwischen Haus und Straße. Aber Block-Daniel selbst bemüht sich im Auftrag der Grundstückseigentümer um die korrekte Pflege des Baumriesen, der deutlich höher ist und mit natürlicher Krone reichlich Schatten spendet. "Es gibt natürlich auch Hauseigentümer und Nachbarn, die sich an dem fehlenden Licht in ihren Eigenheimen stören und deswegen gerne an solche Bäume ranwollen", weiß der Baumgutachter.
Doch davor setzt die derzeit noch geltende Bremer Baumschutzsatzung einige Hürden. Und weil sich die Grünen, die SPD und die Linkspartei nach langem Gezerre jetzt auf eine neue Fassung geeinigt haben, die die bisherige Satzung von 2010 ersetzen soll, dürften die Hürden schon bald noch höher werden. Der notwendige Senatsbeschluss dazu ist gefasst, an diesem Donnerstag sind die neuen Regeln Thema in der Umweltdeputation.

Baumgutachter Andreas Block-Daniel erläutert Ralph Saxe (Grüne) die Auswirkung der neuen Baumschutzsatzung: Die Sumpfzypresse ist als Nadelbaum erstmals geschützt, wenn ihr Stammumfang größer als 80 Zentimeter geworden ist.
Der Schutz von Bäumen wird dadurch deutlich ausgeweitet. Waren Laubbäume bislang erst ab 120 Zentimeter Stammumfang automatisch geschützt, gilt das jetzt ab 80 Zentimetern. Bein Nadelbäumen sinkt die Schwelle von drei Metern auf jetzt ebenfalls 80 Zentimeter. Bilden Straßenbäume eine Allee, genügen bereits 50 Zentimeter Stammumfang, um unter die Baumschutzsatzung zu fallen. Gemessen wird das immer in ein Meter Höhe. Bilden Bäume da bereits mehrere Stämme aus, sinken die Schutzhürden ebenfalls. Block-Daniel schätzt, dass sich die Zahl der von der Baumschutzsatzung betroffenen Bäume in Bremen um rund 40 Prozent erhöht.
Das ruft natürlich auch Kritiker auf den Plan, denn die Satzung gilt für alle Bäume, ob auf öffentlichem Grund oder in privaten Gärten. In der Praxis bedeutet das weniger Handlungsfreiheit für die Eigentümer und mehr Genehmigungsverfahren für geplante Fällungen oder andere größere Eingriffe. "Beispielhaft für die übergriffige Senatspolitik, die misstrauisch gegenüber allem ist, was Menschen auf ihrem eigenen Grundstück tun", kommentiert Marcel Schröder von der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Statt mit Augenmaß und Vertrauen zu arbeiten, setze Rot-Rot-Grün auf Kontrolle, Gängelung und Bürokratie.
Hartmut Bodeit, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion mutmaßt: "Damit wird der Rückschnitt eines Baumes bald zur Ordnungswidrigkeit." Er sieht sogar Effekte, die der Umwelt mehr schaden, als nützen: „Wenn jede Pflanzung potenziell neue Auflagen und Konflikte mit der Behörde bedeutet, lassen viele es gleich bleiben.“ Aus anderen Zusammenhängen kennt man ähnliche Auswirkungen: Dann wird kurz vor Inkrafttreten der bislang nur leicht störende Baum mit 76 Zentimeter Umfang schnell doch noch gefällt, bevor er die Schutzschwelle erreicht.
Baumschutzsatzungen auch in anderen Städten
Doch dem widerspricht Block-Daniel. "Das mag es im Einzelfall tatsächlich geben, doch die Erfahrungen mit Baumschutzsatzungen sind gegenteilig", sagt er und verweist auf andere Städte. Überall wo es sie gebe, prägten Baumschutzsatzungen den Erhalt des Bestandes. "Die Grenzen, die sie vorgeben, definieren auch, welche Bäume tatsächlich erhalten werden."
Ralph Saxe, der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion bewertet die neue Baumschutzsatzung dagegen als ausbalanciert. Der Schutz werde zwar ausgeweitet, aber Ausnahmen und Fällungen etwa für Bauvorhaben sind weiterhin möglich. "Neu ist nur, dass dann eben angemessener Ersatz geschaffen werden muss." Das kann bei großen und alten Bäumen aber unter Umständen bedeuten, dass eine Neupflanzung nicht ausreicht, sondern mehrere Bäume neu zu setzen sind. Saxe: "Die Maßnahmen orientieren sich erstmals am tatsächlichen biologischen Wert der Bäume."